Sozialismus

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Von David Prychitko mit freundlicher Genehmigung von libertarianism.org

Der Sozialismus gilt traditionell als ein politisch-ökonomisches System, das darauf abzielt, die Institutionen einer Marktwirtschaft durch Gemeinschaftseigentum an den Produktionsmitteln, eine umfassende Wirtschaftsplanung und eine egalitäre Verteilung des Reichtums zu ersetzen. Die Sozialismus-Debatten des 19. Jahrhunderts konzentrierten sich erstens auf die Frage, ob ein sozialistisches System durch Reformen oder Revolutionen herbeigeführt werden sollte. Zweitens entstand eine Kontroverse, ob der politische Mechanismus, der diese Veränderungen bewirkte, dezentral oder zentralisiert sein sollte. Die marxistische Position, welche in Teilen Europas und Asiens bis zum 20. Jahrhundert vertreten wurde, forderte Revolution und Zentralisierung; aber die meisten Länder der Welt verstanden den Sozialismus nicht revolutionär. Die Kritik, welche die Österreichische Schule zwischen den 1920er und 1940er Jahren formulierte, führte in Kombination mit der historischen Erfahrung der sozialistischen Regime im Laufe des 20. Jahrhunderts, zu mehreren alternativen Versionen des Sozialismus. Diese Ableger waren der Marktsozialismus, der partizipative Sozialismus, der libertäre Sozialismus, der Anarchokommunismus und einige vage Variationen des Wohlfahrtstaates.

Die Sozialistische Kalkulationsdebatte und der Marktsozialismus

In dem Ausmaß, in dem der Sozialismus nach sozialem Eigentum und umfassender Planung strebt, begeht er einen fatalen epistemologischen Fehler, den Mises 1920 am deutlichsten formulierte. Durch die Aufgabe des Privateigentums an den Produktionsmitteln verschwindet der Markt für die Produktionsgüter – und damit schafft die sozialistische Wirtschaft die Preise für Kapitalgüter ab, die ja das Maß der relativen Knappheit sind. Damit wird aber, unabsichtlich, auch das Wissen über Werte und alternative wirtschaftliche Nutzungsmöglichkeiten knapper Investitionsgüter zerstört. Ohne diese Informationen, wie Mises insistierte, fehlt der zentralen Planungsbehörde jegliche Grundlage für Wirtschaftsrechnung. Selbst wenn die Planer danach strebten, dem öffentlichen Interesse zu dienen, wären sie unwissend, wie sie dies bewerkstelligen sollten. Obwohl sie mit technischen Daten und Informationen über die aktuelle Verfügbarkeit von Ressourcen überflutet sein könnten, hätten die Planer keine Kriterien, um den Nutzen und die Opportunitätskosten alternativer Handlungspläne zu berechnen. Sie würden es in der Praxis nicht schaffen, ein koordiniertes Programm von Produktions-, Verbrauchs- und Verteilungsplänen zu entwickeln, das dem Wohlstandsniveau und der Komplexität der Marktwirtschaft entspricht.

Mises‘ Schlussfolgerungen führten zur sozialistischen Kalkulationsdebatte der 1930er und 1940er Jahre zwischen den Ökonomen der Österreichischen Schule und den Befürwortern des Marktsozialismus, welche von Steele und Lavoie ausführlich diskutiert wurde. Der Marktsozialismus, wie zum Beispiel 1936 von Oskar Lange vorgeschlagen, akzeptierte die Österreichische Kritik, dass Märkte notwendig sind – fortgeschrittene Volkswirtschaften können Millionen unabhängiger Pläne nicht ohne die von den Marktpreisen erzeugten Informationssignale koordinieren – was Lange und seine Anhänger ermutigte, abstrakte Wirtschaftsmodelle zu entwickeln, die das soziale Eigentum an den Produktionsmitteln mit kapitalistisch anmutenden Märkten für Konsumgüter verbanden. Allein auf Grundlage dieser Konsumgüterpreise, glaubte Lange, würden die zentralen Wirtschaftsplaner über das notwendige Wissen verfügen, um die Werte aller knappen Ressourcen und Investitionsgüter zu berechnen, die zur Herstellung von Konsumgütern und Dienstleistungen benötigt werden. Er, wie auch die anderen Marktsozialisten, verstand jedoch nicht, dass die Preise für Konsumgüter nur die Spitze eines riesigen Eisbergs sind. Diese Daten allein liefern fast keine relevanten Informationen darüber, was unter der Oberfläche verborgen ist. Das Problem der ökonomischen Berechnung konzentriert sich jedoch auf die Koordination des Restes der Kapitalstruktur, der unter der Oberfläche liegt, jener Struktur, die die Produktion von Konsumgütern und Dienstleistungen unterstützt. Gefangen in einem allzu formalen und empirisch leeren Modell von Märkten und Gleichgewichtspreisen haben die Marktsozialisten den Kern des Österreichischen Arguments gegen den Sozialismus nicht verstanden: eine effektive Koordinierung erfordert nicht nur Märkte für Konsumgüter, sondern auch Märkte für alle Mittel zur Produktion von Konsumgütern. Märkte für Produktionsmittel können jedoch nur entstehen, wenn es Privateigentum an den Produktionsmitteln gibt. Aber genau für die Abschaffung dieser Eigentumsrechte hat der Sozialismus konsequent gekämpft, da diese dem Kapitalismus zu eng verbunden sind.

Nicht nur missverstanden die Marktsozialisten das österreichische Argument, nein, auch urteilten viele Ökonomen, die dem Marktsozialismus generell kritisch gegenüberstanden, dass Lange eine zumindest theoretisch befriedigende Antwort auf Mises‘ Kritik geben konnte und dass damit die sozialistische Kalkulationsdebatte endlich zu Gunsten des Sozialismus entschieden worden war. Erst nach dem Zusammenbruch der real existierenden sozialistischen Regime in den späten 1980er und frühen 1990er Jahren begann ein Umdenken bei den Ökonomen. Die Schlussfolgerungen der österreichischen Ökonomen, die vor mehr als einem halben Jahrhundert ausgearbeitet worden waren, fanden mehr und mehr Akzeptanz. Privateigentum und Märkte für Produktionsmittel sind ein notwendiges Element der fortgeschrittenen Gesellschaft.

Alternativen zum Marktsozialismus

Trotz des atemberaubenden Zusammenbruchs der sozialistischen Regime im Osten haben neue und recht unterschiedliche Visionen des Sozialismus – also Alternativen sowohl zur zentralen Planung nach sowjetischem Muster als auch zum Langeschen Marktsozialismus – unter der radikalen Linken rasant an Bedeutung gewonnen. Michael Albert und Robin Hahnel zum Beispiel haben sich für ein dezentrales, rätebasiertes Modell des Sozialismus eingesetzt. Obwohl ihr Begriff des partizipativen Sozialismus vorgibt, alle Probleme und Widersprüche des zentral geplanten und marktorientierten Sozialismus gelöst zu haben, ignorieren Albert und Hahnel das Wirtschaftsrechnungsproblem und missachten folglich die Kritik Mises‘ aus dem Jahre 1920.

Von ähnlichem Einfluss ist das Werk Murray Bookchins, der das anarchokommunistische Pendant zu Mises‘ anarchokapitalistischem Schüler Murray Rothbard ist. Bookchins anarchokommunistische Visionen des Libertären Kommunalismus und der Sozialen Ökologie haben bei einer jungen Generation von Anarchisten, radikalen Umweltschützern und Sozialisten ein bemerkenswertes Echo erfahren, was unter anderem die Arbeit der Anarchist Research Group von David Goodway belegt. Nicht nur ignorieren Bookchin und seine Schüler die sozialistische Kalkulationsdebatte völlig, sondern Bookchin leugnet, wie Marx, dogmatisch, dass ökonomische Erwägungen irgendeine Relevanz für die Wahl der Organisationsform der Gesellschaft haben.

Die meisten Menschen, die sich heutzutage für den Sozialismus einsetzen, haben sich fast standardmäßig dem modernen Wohlfahrtsstaat zugewandt. Einige Leute, wie Joseph Stiglitz und Hilary Wainwright, haben sich ernsthaft mit der Kritik am Sozialismus beschäftigt, die von Mises, Hayek und der jüngeren Generation der Ökonomen der Österreichischen Schule geäußert wurde. Sie haben vor der Notwendigkeit von Privateigentum und Märkten für die Produktionsmittel kapituliert, fordern aber eine stärkere Rolle des Wohlfahrtsstaates bei der Korrektur dessen, was sie als inhärentes Versagen der Anreizstrukturen und der wissensverbreitenden Eigenschaften eines freien Marktsystems betrachten.

Der Übergang zur Marktwirtschaft

Der Zusammenbruch des Sozialismus in Osteuropa hat sicherlich viele theoretische Spekulationen über alternative Modelle zum traditionellen Sozialismus wiederbelebt. Konkret hat er auch das Problem des wirtschaftlichen Übergangs zur Marktwirtschaft aufgeworfen. Obwohl Libertäre und Klassische Liberale ein allgemeines Verständnis für die Institutionen einer freien Gesellschaft haben, haben sie eine lange Debatte über die spezifischen Arten von Reformen geführt, die notwendig sind, und darüber, wie schnell diese Reformen in den postkommunistischen Ländern eingeführt werden sollten.

Einige Ökonomen, wie Boettke, haben sich für eine Schocktherapie ausgesprochen, die einen raschen Abbau der staatlichen Bürokratie und Regulierung sowie eine schnelle Umwandlung von Staatseigentum in Privateigentum erfordert. Dieser Ansatz sollte von einem Übergang zu einem verfassungsrechtlichen Rahmen begleitet werden, der die Entwicklung und Durchsetzung privater Eigentumsrechte und den freien Handel mit den Produktionsmitteln fördert. Die Übergangsprobleme im Sozialismus wurden mit einem Drogenabhängigen verglichen: Kalter Entzug, so schmerzhaft er auch sein mag, ist der effektivste Weg zur Genesung eines Heroinabhängigen, und nicht eine allmähliche Genesung über die Zeit. So wird auch behauptet, dass die Abhängigen der zerfallenden sozialistischen Gesellschaften so schnell wie möglich in ein marktkapitalistisches System gebracht werden sollten. Eine schrittweise Reform bietet zu viele Anreize, den Staat wieder ins Spiel zu bringen.

Gradualisten wie Svetozar Pejovich antworten, dass wir im Westen zwar wissen, was die „richtigen“ Institutionen sind, die eine freie Gesellschaft bilden, aber nicht genau wissen, was die Bürger der osteuropäischen Nationen wollen. Sie scheinen zerstörerischen nationalistischen Gefühlen gegenüber zutiefst loyal zu sein und betrachten die durch staatliche Anordnung eingeführten Institutionen oft als illegitim. Daher kann es sehr lange dauern, bis ein radikaler institutioneller Wandel die Lücke zwischen einer neuen politisch-ökonomischen Ordnung und ihrer Legitimität zu schließen vermag.

Der Sozialismus in seinen traditionellen Dimensionen ist ein großer Misserfolg. Der Zusammenbruch des Sozialismus bedeutet nicht unbedingt, dass der Kapitalismus der freien Märkte mit Sicherheit gewinnen wird. Märkte, Gewinn und Verlust, Unternehmertum und Wettbewerb sind in der Tat notwendige Merkmale der fortgeschrittenen Gesellschaften. Aber um zu funktionieren benötigen diese Institutionen Vertrauen und Legitimität. Darüber hinaus sind Marktinstitutionen durchaus in der Lage, einen parasitären Wohlfahrts- und Regulierungsstaat zu unterstützen. Aber wegen des völligen Zusammenbruchs des Sozialismus als Wirtschaftssystem, hat der Großteil des sozialistischen Denkens in unserer postkommunistischen Zeit endlich die Notwendigkeit grundlegender Marktinstitutionen erkannt.

Weiterführende Literatur (Auszug)

Boettke, Peter J. Calculation and Coordination: Essays on Socialism and Transitional Political Economy. New York: Routledge, 2001.

Bookchin, Murray. Post-Scarcity Anarchism. 2nd ed. Montreal: Black Rose Books, 1986.

Lavoie, Don. Rivalry and Central Planning: The Socialist Calculation Debate Reconsidered. New York: Cambridge University Press, 1985.

Prychitko, David L. “Marxism and Decentralized Socialism.” Critical Review 2 no. 4 (Fall 1988): 127–148.

Stiglitz, Joseph. Whither Socialism? Cambridge, MA: MIT Press, 1994.

Wainwright, Hilary. Arguments for a New Left: Answering the Free Market Right. Cambridge, MA: Blackwell, 1994.

David Prychitko

Dr. David Prychitko ist Professor für Volkswirtschaft an der Northern Michigan University. Nach einem Studium dort promovierte als Mercatus Center Fellow an der George Mason University.