Leoni, Bruno

Istituto Bruno Leoni

Von Salvatore Genovese

Bruno Leoni (1913-1967) war ein Rechtswissenschaftler und Professor für Rechtsphilosophie an der Universität Pavia und praktizierender Anwalt. Außerdem war er Begründer der Wissenschaftszeitschrift Il Politico, Kolumnist für die Wirtschaftszeitung Il Sole 24 Ore, politisch aktiv in der Liberalen Partei (PLI) sowie Sekretär und Präsident der Mont Pélerin Society. Zu seinen Lebzeiten wurde der Meinungsdiskurs in Italien von den Ideen Marxismus und staatlich gelenkter Industriepolitik dominiert. Der klassische Liberalismus Leonis stellte dagegen eine Minderheitenmeinung dar. In Italien war Leoni wenig bekannt und als (klassisch) Liberaler ein einsamer Wolf. Dennoch partizipierte Leoni am kulturellen Leben in Italien wie international. Mit Friedrich August von Hayek war Leoni freundschaftlich verbunden. Bekannt wurde Leoni vor allem durch sein Werk Freedom and the Law (1961). Interessanterweise erschien erst im Jahr 1995 eine italienische Übersetzung. 2014 erschien das Buch in deutscher Übersetzung. Leoni ist ein wichtiger Denker in der liberalen Tradition, obwohl er derzeit wenig bekannt ist. Seit den 1990er Jahren erfahren Bruno Leonis Ideen eine Wiederbelebung durch den zeitgenössischen Liberalismus. Dies auch dank der liberalen Denkfabrik, die seinen Namen trägt, dem Istituto Bruno Leoni mit Sitz in Turin und Mailand.

Biographie

Unter dem Rechtsphilosoph Gioele Solari studierte Leoni an der Universität Turin und erwarb 1935 seinen Abschluss in Rechtswissenschaften. Anschließend war Leoni kurzzeitig Lehrer an einem Gymnasium. Der Zweite Weltkrieg unterbrach seine akademische Karriere und er schloss sich dem Widerstandskampf an, der sogenannten A Force einer Untergrundorganisation der Alliierten.  Leoni lebt ab 1945 bis zu seinem frühen Tod, zwischen Turin und Pavia. In Turin unterhielt Leoni seine Anwaltskanzlei. An der Universität Pavia hatte Leoni die Professur für Rechtsphilosophie an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät inne. Zwischen 1948 und 1960 war Leoni Dekan an der Fakultät für Politikwissenschaften. Leonis Interessen waren jedoch nicht auf Rechtswissenschaft und Philosophie beschränkt, sondern umfassten auch Politikwissenschaften und Ökonomie. Deshalb gründete Leoni di Zeitschrift Il Politico mit Ziel, den interdisziplinären Diskus zu fördern. Die Zeitschrift diente auch als Plattform für die Verbreitung von neuen Theorien verschiedener Schulen wie beispielsweise der Public Choice Theorie. Dazu gehört die Veröffentlichung von Denkern wie Lionel Robbins, Wilhelm Röpke, Friedrich August von Hayek, James Buchanan und Ludwig von Mises. In diesem Sinne sorgte er dafür, Ideen aus dem angelsächsischen Raum in Italien bekannt zu machen. Leoni wurde Mitte der fünfziger Jahre Mitglied der Mont Pélerin Society, dessen Sekretär im Jahr 1960 und im September 1967, kurz vor seinem Ableben, deren Präsident. Leoni starb 1967 im Alter von 54 Jahren in der Blütezeit seiner geistigen Schaffenskraft.

Rechtswissenschaftler ohne Grenzen

Trotz seines relativ kurzen Lebens war Leoni ein sehr produktiver Wissenschaftler. Als Rechtswissenschaftler ohne Grenzen beschränkte Leoni seine Arbeit nicht nur auf rechtsphilosophische Fragen. Leoni war durch und durch Sozialwissenschaftler, der sich für Politikwissenschaft und Ökonomie interessierte, wobei sein besonderes Augenmerk der Österreichischen Schule der Nationalökonomie galt. In seinem Wirken war Leoni ein Vorreiter von Ansätzen wie Public Choice Theorie sowie einer normativ orientierten ökonomischen Analyse des Rechts (Law and Economics). Überwiegend verfasste Leoni seine Schriften auf Italienisch, außer seinem bekanntesten Werk Freedom and the Law (1961), welches zuerst auf Englisch erschien. Das Buch entstand auf der Basis einer Seminarreihe, die Leoni 1958 am Claremont McKenna College hielt.

Leoni befasst sich in dem Buch mit dem Verhältnis von Freiheit, Recht und Gesetzgebung, einer Frage, die sein gesamtes Wirken prägt. Er widmet sich darin grundlegenden Fragen: Ist die Freiheit des Einzelnen überhaupt mit der heutigen Rechtsordnung vereinbar, die auf der gesetzgebenden Gewalt beruht? Wenn Sprache, Mode, Märkte, Kunst und Wissenschaft das Resultat zahlreicher Einzelhandlungen sind, die zu dieser spontanen Konvergenz führen, sollte dann nicht auch das Recht durch eine ähnliche spontane Konvergenz erzeugt werden? Die Gesetzgebung kann eine Gefahr darstellen, wenn die Mehrheitsherrschaft sie für eigene Zwecke missbraucht und dadurch ein freiheitsfeindliches Klima entsteht. Diese und weitere Fragen beleuchtet das Buch.

Leoni unterscheidet zwischen „Law and Legislation“ bzw. Recht und Gesetzgebung. Letzteres bezieht sich auf kodifizierte Gesetzgebung die vom Gesetzgeber von oben nach unten gesetzt wird. Die Gesetzgebung kann kodifiziertes Unrecht sein, indem durch zunehmende Verordnungen das Privatrecht ausgehebelt und dadurch Freiheit Stück für Stück abgebaut wird. In Leonis Vorstellung kann das Recht von Fall zu Fall entstehen. Wenn ein Gericht Konflikte zu lösen hat, ist es die Aufgabe des Richters, ein Ergebnis zu finden, damit der jeweilige Konflikt beigelegt wird. Auf Basis jeder einzelnen richterlichen Entscheidung erwächst das Recht von unten nach oben. Das Recht wird somit in einem fortlaufenden Entdeckungsprozess weiterentwickelt und daraus erwächst eine spontane Ordnung. Beispiele dafür sind das „Common Law“ sowie das römische Privatrecht, die sich über viele Generationen und Jahrhunderte hinweg in einem evolutionären Prozess entwickelt haben. Eine zentrale Erkenntnis Leonis ist: genauso wie einem zentralen Planer die Informationen fehlen, die im Marktprozess entstehen, so fehlen dem Gesetzgeber die Informationen, die in Rechtsfragen entstehen. Dieser Umstand ist in Kontinentaleuropa in Vergessenheit geraten, wo das kodifizierte Recht der Normalfall ist. Die Folgen davon sind die Ausweitung des regulierenden Staates und eine damit einhergehende „inflationäre Gesetzgebung“, die die Rechtssicherheit untergräbt. Zudem hat Leoni in gewisser Weise die These vorweggenommen, die später von Richard Posner vorgebracht wurde, dass „Common Law“ das Wirtschaftlichkeitsprinzip erfüllt.

Bedeutung für den Liberalismus

Mit Freedom and the Law hat Bruno Leoni ein bleibendes Vermächtnis hinterlassen und die liberale Tradition bereichert. Das Buch ist eine Kritik am Verwaltungs- und Regulierungsstaat und dessen Leistungsfähigkeit, die bis heute aktuell ist. Im Unterschied zu Ludwig von Mises hat Leoni kein geschlossenes liberales Denkgebäude hinterlassen, sein Beitrag sollte dennoch nicht unterschätzt werden. Sein Schaffen beeinflusste unter anderem Hayeks Werk Recht, Gesetz und Freiheit. Leonis Verdienst besteht darin, das Recht nicht als Blackbox anzusehen, sondern zu analysieren, wie die Rechtsordnung die Freiheitsgrade beeinflusst, und das Spannungsfeld zwischen Recht und Freiheit auszuloten. Insbesondere hat Leoni auf die fundamentale Bedeutung des Rechts für eine freiheitliche Ordnung hingewiesen. Der Liberalismus von Bruno Leoni lässt sich im Sinne Humes als die Fortsetzung der Prinzipien von „property, contract, and consent“ beschreiben. Leonis Liberalismus definiert sich durch das Konzept der negativen Freiheit, also der Abwesenheit von Zwang. Dabei wird der Freiheit des Einzelnen die größtmöglichen Entfaltungsmöglichkeiten eingeräumt und entsprechend in die Rechtsordnung eingebettet. Leonis ganzheitlicher Liberalismus verbindet sowohl wirtschaftliche wie politische Freiheit, wobei letztere darauf abzielt, das Politische durch eine freiheitliche Rechtsordnung zu begrenzen. Leonis Erkenntnisse und Ideen sind noch lange nicht vollständig ausgeschöpft und bieten das Potenzial zur Weiterentwicklung im Rahmen eines klassisch liberalen Forschungsprogramms.

Literatur

Leoni, Bruno, Freiheit und das Recht, Stuttgart 2014.

Salvatore Genovese

Salvatore Genovese studiert Philosophy, Politics and Economy im Master am CEVRO Institute in Prag.