Hume, David

Allan Ramsay Wikimedia Commons (CC0)

Von Dr. Detmar Doering

Der schottische Aufklärer David Hume (1711-1776) war unter den Zeitgenossen bekannter als Historiker als er es als Philosoph war. Seine Philosophie, die von einem recht radikalen Skeptizismus geprägt war, galt vielen Lesern für lange Zeit als anstößig und atheistisch. Dabei führte ihn sein Skeptizismus in Wirklichkeit zu einem sehr gemäßigten und rationalen Ansatz in Fragen von Moral und Politik. Er lieferte sorgfältig entwickelte sozialpsychologische Erklärungen, wie gewachsene Institutionen und Regeln das menschliche Wohlergehen erhöhen können, aber auch welche Gegenkräfte zu einer gedeihlichen Entwicklung es geben kann. Wirtschaftspolitisch stand er seinem Freund Adam Smith sehr nahe, vor allem was seine Position für den freien Handel und gegen wirtschaftlichen Nationalismus anging, oder wie er 1742 schrieb: „Ich will daher das Bekenntnis wagen, dass ich nicht nur als Mann, sondern als britischer Bürger für den blühenden Handel Deutschlands, Spaniens, Italiens, und sogar Frankreichs bete. Ich bin zumindest sicher, dass Großbritannien und alle diese Staaten stärker blühen würden, wenn ihre Herrscher und Minister solch großherzige und wohlwollende Empfindungen füreinander entwickelten. “

Biographie
David Hume wurde 1711 in Edinburgh als Spross einer kleinadligen Familie unter dem Namen David Home (in Schottland wie „Hume“ ausgesprochen) geboren. Erst 1734 anglisierte er seinen Namen in der Schreibweise auf „Hume“. Sein Vater starb, als er zwei Jahre alt war. Der kränkliche, aber früh geistig rege Hume besuchte schon 1723, im ungewöhnlich jungen Alter von 12 Jahren, erstmals Universitätsvorlesungen im heimischen Edinburgh, brach aber sein Jurastudium schon 1729 ab. Stattdessen unternahm er umfangreiche Reisen durch England und Frankreich und betrieb philosophische Studien. Hume sollte nie ein akademischer Berufsphilosoph werden.

1739 präsentierte er das Ergebnis seiner Studien, den ersten Band seines philosophischen Hauptwerks „A Treatise of Human Nature“. Die zwei nächsten Bände erschienen im Jahr darauf. Wegen der darin enthaltenen vermeintlich gottlosen skeptischen Tendenz fand das Werk wenige Käufer, aber viele feindliche Kritiker. Es fiel „totgeboren aus der Presse“, wie Hume später sagte. Gegen die zum Teil unfaire Kritik wehrte er sich mit einer Kurzfassung des Werkes unter dem Titel „An Abstract of a Book lately Published: Entitled A Treatise of Human Nature etc“ (1740) und dem „A Letter from a Gentleman to His Friend in Edinburgh“ (1745) – allerdings ohne dabei viel zu erreichen.

Von größerem Erfolg gekrönt waren jedoch seine beiden Bände der „Essays, Moral, Political, and Literary“, von denen der erste Band 1741, der zweite 1742 erschien. Die Essayform erleichte (vor allem im Vergleich zu der sehr umfänglichen „Treatise“) den Zugang für die Leser. Den Essays verdanken wir vor allem die sozialphilosophische Seite seines Denkens.

Trotzdem blockierte der Ruf, ein atheistischer Philosph zu sein, seine akademische Karriere. Lehrstühle wurden ihm verweigert, etwa in Edinburgh 1744 und Glasgow 1752. Nach etlichen weiteren Reisen kehrte er 1748 nach Schottland zurück und veröffentlichte sein Buch „Enquiry Concerning Human Understanding“, das die erkenntnistheoretischen Ansichten der „Treatise of Human Nature“ in strafferer und populärerer Form wiedergab und deshalb auch ein wenig erfolgreicher auf dem Buchmarkt war. Eine ähnlich popularisierte Fassung seiner moralphilosophischen Ideen kam 1751 unter dem Titel „Enquiry concerning the Principles of Morals“ heraus.

1749 lernte Hume Adam Smith kennen, mit dem ihm eine lebenslange Freundschaft verbinden sollte. Smith ließ sich in seinen eigenen Schriften besonders von Humes ökonomischen Ansichten aus den „Essays“ beeinflussen.

In den Jahren 1754-64 gelingt Hume schließlich sein „Bestseller“, die mehrbändige „History of England“. Das Werk versöhnte ihn zwar ein wenig mit den christlichen Konservativen, machte ihn aber bei den liberalen Whigs unpopulär, weil Hume ihrer Meinung nach bei der Behandlung der englischen Revolution zu sehr auf Seiten des Hauses Stuarts und der Royalisten zu stehen schien. Die konservativen Tories misstrauten ihm aber weiterhin wegen des Skeptizismus seiner philosophischen Schriften. Das Buch wurde trotz (oder wegen?) des allgemeinen Skandals, das es verursachte, ein Verkaufserfolg. Humes historisches Werk war unter den Zeitgenossen bekannter und verkaufsträchtiger als seine philosophischen Werke.

Nunmehr ein bekannter Autor, unternahm er 1763 abermals eine Reise nach Frankreich, wo er unter den dortigen Aufklärern euphorische Aufnahme fand – wohl gerade wegen seiner vermeintlichen „Gottlosigkeit“. Für kurze Zeit hatte Hume den Posten des britischen Botschafters im Lande inne, bevor er 1766 zurückkehrte. Dabei brachte er den verfolgten Philosophen Jean-Jacques Rousseau mit, dem er in London ein sicheres Asyl verschaffen wollte. Der paranoid veranlagte Rousseau verbreitete bald in der Öffentlichkeit die These, der ihm so wohlgewogene Hume habe ihn nur nach England geholt, um ihn dort besser herabsetzen zu können. Die Freundschaft mit Hume, der durch die Veröffentlichung von Briefen seine Unschuld beweisen konnte, zerbrach und Rousseau verließ England wieder.

In London arbeitete Hume in den Jahren 1767-1768 als Unterstaatssekretär im Außenministerium und kehrte danach wieder in seine Heimat Edinburgh zurück. Sein Gesundheitszustand verschlechterte sich zunehmend und er kümmerte sich meist nur noch um die Neuauflagen früherer Werke. 1776 starb er nach langer und schwerer Krankheit. Sein Freund Adam Smith veröffentlichte bald darauf eine kurze Autobiographie Humes unter dem Titel „My Own Life“. In seinem öffentlichen Brief an den Verleger William Strahan widerlegte er auch die Gerüchte, die von verschiedenen Konservativen und Klerikern verstreut wurden, dass Hume beim Sterben wegen seiner Gottlosigkeit Seelenqualen gelitten habe. Und im gleichen Jahr veröffentlichte Humes Neffe die „Dialogues Concerning Natural Religion“, die Hume zu Lebzeiten nicht publizieren wollte

Hume als Philosoph des Liberalismus

„Es ist kein Zufall, dass Hume seine Ideen über Politik und Recht in seiner philosophischen Arbeit entwickelt. Sie sind eng mit seiner allgemeinen philosophischen Auffassung verknüpft, insbesondere seiner skeptischen Anschauung über „die Grenzen des menschlichen Verstehens“.“ So fasste 1969 Friedrich August von Hayek Humes Denken zusammen. In der Tat ist Humes Denken nur aus seiner skeptischen Erkenntnistheorie verständlich. Diese erkannte im Sinne der Aufklärung nur die Instrumente der Vernunft und Empirie an, setzte ihnen aber enge Grenzen. Hume stellte das Kausalitätsprinzip und die Existenz von Dingen außerhalb der Wahrnehmung in Frage. Damit setzte er nicht nur metaphysische, sondern auch rationalistische Denkansätze dem Zweifel aus. Er inspirierte damit unter anderem Immanuel Kant, der 1783 meinte, Hume sei es gewesen, der ihn aus dem „dogmatischen Schlummer unterbrach und meinen Untersuchungen im Felde der spekulativen Philosophie eine ganz andere Richtung gab.“

Obwohl sich Hume mit dogmatischen Aussagen bei theologischen Fragen zurückhielt, ergab sich aus der Erkenntnistheorie recht naheliegend, dass Annahmen über die Existenz und das Wirken Gottes zwar manchmal plausibel erscheinen mögen, aber letztlich unbeweisbar sind. Am ehesten dürfte der von Thomas Henry Huxley 1869 geprägte Begiff „Agnostiker“ auf ihn passen, denn Hume hatte (was von seinen konservativen Kritikern oft übersehen wurde) auch starke Bedenken gegen den dogmatischen Materialismus der atheistischen Aufklärer in Frankreich (Diderot, La Mettrie etc.), deren Aussagen ebenfalls im Widerspuch zu seiner Erkenntnistheorie standen.

Auch für seine politische Theorie war seine skeptische Grundhaltung definierend. Er hielt politische Ordnungen für etwas, das sich nicht aus der Vernunft selbst schöpfen könne. So lehnte er die Theorie eines Gesellschaftsvertrages à la John Locke ab. Politische Institutionen seien kein Konstrukt, sondern das Werk von über lange Zeit stattfindender menschlicher Interaktion und Lernens. Menschen sind in Sachen Erkenntnis und Moral unvollkommen. Insbesondere liegt ihnen das eigene Wohlergehen näher als das anderer, und das von nahestehenden näher als das von unbekannten Menschen, argumentierte Hume. Diese Schwächen stünden aber der Verbesserung des eigenen Wohlergehens (Hume war im Kern Utiltarist) im Wege. Schon deshalb sei der Appell der Theoretiker des „Gesellschaftsvertrages“ unsinnig, weil sie dem Menschen im Naturzustand die Kapazität zubilligten, einen moralisch perfekten Staat zu konstruieren, während staatliche Institutionen in Wirklichkeit aus Konventionen erwüchsen, die zum Teil der ursprünglichen Natur widersprächen, sich aber langfristig bewährten. Überpersönliche Regeln und Institutionen, so die aus langer interaktiver Erfahrung und vielen Lernprozessen gewonnene Erkenntnis, könnten diese Schwächen immerhin teilweise überwinden. „Denn außerhalb der natürlichen Anlagen und Tendenzen geht es für die Moral gleichsam bergauf. Es bedarf zusätzlicher Anreize, die den Menschen die moralisch erwünschte Berücksichtigung fern liegender Allgemeininteressen „nahe bringen“. Spontan gewachsene rechtliche und moralische Institutionen oder Konventionen können diese Anreize bieten“, schrieb der Philosoph Hartmut Kliemt 2003 treffend.

Daraus ergibt sich die gerade für Liberale wichtige Erkenntnis, dass es offener Regeln bedarf, die nicht partikulären Interessen dienen, sondern jedem Menschen erlauben, friedlich eigene Ziele zu verfolgen. Eine in diesem Sinne wirtschaftlich, moralisch und kulturell erfolgreiche Gesellschaft bedarf der Herrschaft des Rechts, des Eigentumsrechtes und der Freiheit des Einzelnen. „In diesem Sinne,“ so schreibt Hume, „kann behauptet werden, dass Freiheit die Vervollkommnung bürgerlicher Gesellschaft darstellt.“

Literatur

David Hume: Politische und ökonomische Essays, 2 Bde., übers. von Susanne Fischer, Hamburg 1988

James A. Harris: Hume: An Intellectual Biography, Cambridge 2015

Friedrich August von Hayek: Die Rechts- und Staatsphilosophie David Humes; in: ders: Freiburger Studien. Gesammelte Aufsätze, Tübingen 1969, S. 232ff

David Fate Norton (Hrsg.): The Cambridge Companion to Hume, Cambridge 1994

Gerhard Streminger: David Hume. Sein Leben und sein Werk, Paderborn 1994

Detmar Doering

Dr. Detmar Doering ist Philosoph und Projektleiter für “Mitteleuropa und Baltische Länder” bei der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit. Er war zuvor Leiter des Bereichs “Grundsatz und Forschung” des Liberalen Instituts. Er hat Philosophie und Geschichte an der Universität Köln und dem University College London studiert.