Zweig, Stefan
Biographie
Stefan Zweig wurde am 28. November 1881 in Wien geboren. Nach dem Besuch des Gymnasiums studierte er Germanistik und Romanistik. Bereits während des Studiums schrieb für das Feuilleton der Neuen Freien Presse. Zudem veröffentlichte er seit 1897 Gedichte in Zeitschriften, seine erste Gedichtband 1901 mit dem Titel Silberne Saiten und 1904 seine erste Novelle Die Liebe der Erika Ewald. In diesem Jahr wurde Stefan Zweig mit einer Dissertation über Die Philosophie des Hippolyte Taine in Wien zum Dr. phil. promoviert. Neben eigenen Erzählungen und Essays arbeitete Zweig auch als Übersetzer und Journalist. Der Schriftsteller reiste viel, unter anderem besuchte er 1910 die britischen und niederländischen Kolonien in Indien, sowie 1912 Amerika. Hierbei knüpfte Zweig Kontakte zu anderen Kunstschaffenden mit denen er in reger Korrespondenz stand. Zu seinen Freunden zählte unter anderem der französische Pazifist Romain Rolland. Dieser prägte seine Abneigung gegen den Krieg. Seine Gedanken zum Ersten Weltkrieg formulierte er so: „Von Anfang an glaubte ich nicht an den ,Sieg‘ und wußte nur eines gewiß: daß selbst wenn er unter maßlosen Opfern errungen werden könnte, er diese Opfer nicht rechtfertige. Aber immer blieb ich allein unter all meinen Freunden mit solcher Mahnung, und das wirre Siegesgeheul vor dem ersten Schuß, die Beuteverteilung vor der ersten Schlacht ließ mich oft zweifeln, ob ich selbst wahnsinnig sei unter all diesen Klugen oder vielmehr allein grauenhaft wach inmitten ihrer Trunkenheit.“ Während des Krieges arbeitete er im Kriegsarchiv. 1917 wurde er beurlaubt und dann ganz entlassen. Daraufhin zog er nach Zürich, wo er weiter als Journalist für deutsche und schweizerische Zeitungen schrieb.
Nach dem Krieg kehrte Zweig nach Österreich zurück. Er zog nach Salzburg, wo er noch im Krieg das Paschinger Schlössl erworben hatte. Zwei Jahre Später heiratete er Friederike Winternitz. In seinen Werken setzte er sich zunehmenden gegen Nationalismus und Revanchismus ein und betonte ein humanistisches Ideal in einem geistig geeinten Europa. In dieser Zeit entstanden viele Novellen, Dramen und Erzählungen. Unter anderem eines seiner erfolgreichsten Werke: Die Sammlung Sternstunde der Menschheit. Als Freund von Maxim Gorki besuchte er 1928 die Sowjetunion, wo seine Veröffentlichung auch auf Russisch erscheinen sollten. Noch im Jahr 1933 verfasste Zweig das Libretto für Richard Strauss’ Oper Die schweigsame Frau. Die Oper durfte auf persönliche Genehmigung von Hitler uraufgeführt werden, jedoch wurde sie dann wegen des jüdischen Autors abgesetzt.
Das Ende der Demokratie in Deutschland begann zunehmend auch in Österreich für das Erstarken der Faschisten zu sorgen. Die SA marschierte durch die Straßen und verübte Anschläge. Obgleich die Regierung des Landes versuchte, die Nationalsozialisten in Schach zu halten, war in Österreich die Demokratie mit der Selbstausschaltung des Parlaments ebenfalls untergegangen. Auch Zweig nahm die nationalsozialistische Bedrohung wahr und vermutete bereits früh ein größeres Übel. Die Willkür des Staates bekam Zweig während des Februar-Aufstandes im Jahr 1934 zu spüren, als die Wohnung des erklärten Pazifisten auf Waffen durchsucht worden war. Von diesem Ereignis tief betroffen, emigrierte Zweig nur zwei Tage darauf nach Großbritannien. Zweigs Werke wurden auch Opfer der Bücherverbrennungen in Deutschland und er kam 1935 auf die Liste verbotener Autoren.
Zwischen ihm und seiner ersten Ehefrau, die ihn nicht nach London begleitet hatte, kam es 1938 zur Scheidung; bis zu seinem Tod hielt er aber den Kontakt mit ihr. 1939 heiratete er Charlotte Altmann mit der er bereits einige Reisen unternommen hatte. Bei Ausbruch des Zweiten Weltkrieges wurde Zweig britisches Staatsbürger. In London arbeitete er unter anderem an der Biographie von Honoré de Balzac und hielt die Grabrede für seinen Freund Sigmund Freud. Schließlich verließ er auch Großbritannien in der Furcht als “Enemy Alien” bzw. feindlicher Ausländer interniert zu werden. Über die Stationen New York, Argentinien und Paraguay landete er 1940 in Brasilien, für das er eine Einreiseerlaubnis besaß. Obwohl der damalige Diktator des Landes ebenfalls Antisemit war, durfte Zweig bleiben. In der Nacht vom 22. zum 23. Februar 1942 nahmen sich Stefan Zweig und seine Frau in Petrópolis das Leben. In seinem Abschiedsbrief hatte Zweig geschrieben, er werde „aus freiem Willen und mit klaren Sinnen“ aus dem Leben scheiden. Die Zerstörung seiner „geistigen Heimat Europa“ hatte ihn für sein Empfinden entwurzelt, seine Kräfte seien „durch die langen Jahre heimatlosen Wanderns erschöpft“. Posthum erschien 1942 Die Welt von gestern.
Stefan Zweig steht exemplarisch für die exilierten Intellektuellen des 20. Jahrhunderts, die wegen Gewaltherrschaft und Unrecht ihre Heimat verlassen mussten. So strikt Stefan Zweig eine komplette Trennung von Geist und Politik forderte, so fest stand er für ein vereinigtes Europa in der Tradition Henri Barbusses, Romain Rollands und Émilie Verhaerens ein.
Werk
Die Welt von Gestern – Erinnerungen eines Europäers, ist ein autobiographisches Werk von Zweig. Er schrieb es im Exil und es erschien erst nach seinem Suizid. Stefan Zweig blickt aus der Perspektive eines etwa Sechzigjährigen zurück auf sein Leben, welches er in seine Jugend, seine Zeit im und nach dem Ersten Weltkrieg und seine Erinnerungen im Exil bis zum Beginn des Zweiten Weltkrieges unterteilt.
Das Buch zeichnet sich durch die persönliche Nähe aus, die der Leser zum Ich-Erzähler bekommt. Das Werk verbindet damit auch die Beschreibung des europäischen Kulturkosmos vor 1914. Inwieweit Zweig sein persönliches Leben in diesem Buch dargestellt hat, ist umstritten. Zweig beschreibt die Kultur, die Mode, das Leben der Jugendlichen, das Erziehungssystem, die Sexualmoral und das Wertesystem der Gesellschaft. Einleitend betont Zweig, dass es keineswegs die „Wichtigkeit“ seiner selbst sei, die ihn zur Niederschrift seines Lebens veranlasst hat, sondern vielmehr seine Zeitzeugenschaft der beiden Weltkriege und des damit einhergehenden Verfalls der moralischen und kulturellen Werte, mit denen er aufgewachsen war. Er verdeutlicht sein Anliegen, für eine ganze Generation zu sprechen, deren Fundament im Verlauf eines halben Jahrhunderts komplett auseinanderbricht.
Von seiner Jugend berichtet Zweig unter dem Titel „Die Welt der Sicherheit“. Er hebt die Beständigkeit der Ordnung in einer scheinbar krisenlosen Zeit hervor, erinnert an den Glauben an den Fortschritt, die Humanität, den Liberalismus und die Kulturbegeisterung. Jedoch betrachtet er die verklemmte Sexualmoral und das autoritäre Schulsystem dieser Zeit auch kritisch. Dem universitären Betrieb gegenüber zeigt Zweig kaum Sympathie. Er geht lieber seiner Beschäftigung mit Kunst, Literatur und dem Reisen nach. Gerade letztere beschreibt er sehr ausführlich.
Im zweiten Teil stellt er den Zusammenbruch des „Weltvertrauens“ dar und versucht, zu erklären, wie es zum Ersten Weltkrieg kommt. Er erinnert sich, dass er sich der anfänglichen Massenhysterie selbst nicht ganz entziehen konnte. Seine eigene Neutralität, die er in dieser Zeit entwickelt, begründet er mit seinem Kosmopolitismus, durch welchen er siche eine zukünftige Völkerverständigung erhofft. Ein wichtiges Erlebnis für Zweig ist die Emigration von Kaiser Karl am Ende des Krieges, die er unmittelbar miterlebte. Darüber hinaus geht er darauf ein, wie die Strukturen der Kunst und Gesellschaft seiner Jugend zusammenbrechen und durch die Krisen der frühen 20er Jahre auch die Armut auf dem Vormarsch ist. „Alle Werte waren verändert und nicht nur im Materiellen“, meint Zweig. Bei einer Italienreise erkennt und warnt der Autor bereits sehr früh vor dem aufkommenden Faschismus. Er beobachtet sorgenvoll, wie die Unterstützer für eine „geistige Einheit Europas“ immer weniger werden.
Der dritte Teil beginnt mit Emigration. Zweig begründet sie mit dem Blick auf Hitlers Ferienresidenz am Obersalzberg, mit der Willkür des politischen Geschehens in der Grenzstadt und nennt zuletzt auch die Hausdurchsuchung. Darüber hinaus erzählt das Werk von der sich abzeichnenden Unwiederbringlichkeit einer Zeit, in der man Grenzen zwischen Ländern „ebenso sorglos überschritt wie den Meridian in Greenwich.“ Mit der Kriegserklärung Großbritanniens an Deutschland beschließt er die Welt von Gestern mit den Worten: „Aber jeder Schatten ist im Letzten doch auch ein Kind des Lichts, und nur wer Helles und Dunkles, Krieg und Frieden, Aufstieg und Niedergang erfahren, nur der hat wahrhaft gelebt.“
Das Werk ist eine klare Positionierung gegen den Nationalismus und für ein friedliches Europa. Mit seinen Lebenserinnerungen unterstreicht Zweig die Wichtigkeit des Friedens und des Dialogs in einer sich zunehmend polarisierenden Welt.
Triumph und Tragik des Erasmus von Rotterdam aus dem Jahr 1934 ist eine von mehreren Biographien, die Zweig historischen Persönlichkeiten widmet.
Als jüdischem Schriftsteller wird es für Stefan Zweig in dieser Zeit immer schwieriger, seine deutschsprachige Leserschaft zu erreichen. Insofern nutzt er eine seiner letzten Veröffentlichungen, bevor seine Bücher endgültig vom deutschen Buchmarkt verschwinden, um Kritik am Nationalsozialismus zu üben. Zweig hält den Kontext der Geschichte für mit „der unseren vergleichbar“, womit er auf die politischen und sozialen Umbrüche zur Jahrhundertwende anspielt. Seine Auseinandersetzung mit der Reformation ist auch eine Auseinandersetzung mit dem fortwährenden Strukturwandel seiner Zeit. Diese Parallele zieht Zweig selbst häufig im Briefwechsel mit seinem Freund Romain Rolland: Am 11. November 1932 schreibt er beispielsweise: „Es wird zeit unseres Lebens nicht enden, wir sind in eine Epoche der Gewalt geraten. […] Erasmus / Luther, wir und die Gewalttätigen.“ Die Parallelen sind im Erasmus kaum zu übersehen: Zweig scheint sich mit der von ihm dargestellten Figur zu identifizieren. Wiederholt spricht er von Erasmus’ Intention, eine „innere Freiheit“ zu bewahren. Das häufige Reisen und die Identifikation mit der europäischen Herkunft sind Eigenschaften, die Zweig an der Titelfigur besonders hervorhebt, und die an sein eigenes Leben denken lassen.
Im Vordergrund der Darstellung Zweigs steht die Konfrontation des Erasmus mit Martin Luther und dem gewaltsamen Vollzug der Reformation. In Zweigs Werk steht Erasmus dafür ein, Konflikte friedlich und vernünftig zu lösen, ohne dabei zu klare Partei zu beziehen. Das passt zu der Skepsis die Zweig den Exilanten seiner Zeit entgegenbringt, die den Faschismus offen kritisieren. Er befürchtet, dass die daraus resultierende Provokation die Spannungen innerhalb Europas noch verschlimmern würden. So verkörpert Erasmus Zweigs Leitbild der gemäßigten Opposition, anstatt des offenen Widerspruchs. Seinem Freund Romain Rolland schrieb er dazu: „Uns bleibt kein anderer Weg, uns Gehör zu verschaffen, als in Symbolen zu schreiben oder zu emigrieren.“ In der Biographie über Erasmus von Rotterdam fungiert die Hauptfigur insofern als „Symbol“ für Frieden und Völkerverständigung und als Gegenbild zum Fanatismus der Nationalsozialisten. Als eine historisch korrekte Darstellung ist die Biographie jedoch nicht einzuordnen. Viele historische Lücken ergänzt Zweig, indem er sie mit Fiktion füllt.
Castellio gegen Calvin oder Ein Gewissen gegen die Gewalt aus dem Jahr 1936 gehört zu Stefan Zweigs wichtigsten Monographien. Es beschreibt den historischen Konflikt zwischen dem orthodoxen Reformator Johannes Calvin und dem liberalen Reformator Sebastian Castellio in der Schweiz des 16. Jahrhunderts.
Der historische Johannes Calvin entwickelte eine Kirchenordnung, welche in erster Linie seine eigene Machtposition stärkte und nach Calvins Auffassung den idealen Gottesstaat ermöglichte. Die neu aufgestellten Regeln griffen in nahezu alle Lebensbereiche der Bürger ein. Bei Verletzung der Auflagen drohten drakonische Strafen. Sebastian Castellio wurde auf Empfehlung Calvins als Rektor an die Genfer Schule berufen. Die Zusammenarbeit zwischen den beiden währte nur kurz und Castellio verließ Genf 1544.
Der Auslöser für den offenen Kampf Castellios gegen Calvin war die Verbrennung des spanischen Theologen Michael Servet im Oktober 1553. Servet wurde in einem Schauprozess wegen Ketzerei verurteilt. Im Gegensatz zu vielen anderen setzt sich Castellio für den Verurteilten ein. Dabei entstanden auch seine berühmten Zitate: ,,Die Wahrheit zu suchen und sie zu sagen, wie man sie denkt, kann niemals verbrecherisch sein. Niemand darf zu seiner Überzeugung gezwungen werden. Die Überzeugung ist frei.’’ Und: ,,Einen Menschen töten heißt niemals, eine Lehre verteidigen, sondern: einen Menschen töten.’’ Durch die Fürsprache für Servet sowie wegen seiner Bibelkritik war Castellio Calvin so verhasst, dass dieser ihn als „Werkzeug Satans“ bezeichnete. Er ging damit als Kämpfer für eine überkonfessionelle Toleranz in die Geschichte ein, der seiner Zeit weit voraus war. Für Zweig ist Calvin Symbol des Antihumanismus, wohingegen Castillo für Dialog und Gewaltlosigkeit steht.
Das Vorwort beginnt mit den Zeilen, die den Zusammenhang zu Zweigs Gegenwart deutlich erkennen lassen: „Diese immer wieder notwendige Abgrenzung zwischen Freiheit und Autorität bleibt keinem Volke, keiner Zeit und keinem denkenden Menschen erspart: denn Freiheit ist nicht möglich ohne Autorität (sonst wird sie zum Chaos) und Autorität nicht ohne Freiheit (sonst wird sie zur Tyrannei).”