Locke, John
Von Eric Mack mit freundlicher Genehmigung von libertarianism.org
Biographie
John Locke (1632-1704) war der vielleicht einflussreichste und vorbildhafteste unter den klassisch liberalen Denkern. Er studierte und lehrte von 1652 bis 1667 in Oxford, wo er als Leibarzt Teil des Haushalts des Lord Ashley (später Earl of Shaftesbury) war. Als Mitglied des Shaftesbury-Zirkels war Locke in den 1670er und frühen 1680er Jahren tief in die politische Opposition zu Charles II. und James II. verwickelt. Kurz nach Shaftesburys Tod im Jahr 1683 ging Locke ins Exil nach Holland und kehrte erst nach der Glorious Revolution nach England zurück. Zu seinen frühesten Arbeiten in der politischen Philosophie gehören seine Schriften über das Naturrecht (1663-1664) und sein Essay über die Toleranz (1667). Seine wichtigsten und reifsten Werke in der politischen Philosophie sind Zwei Abhandlungen über die Regierung (geschrieben 1680-1683, veröffentlicht im Jahre 1689) und der Brief über die Toleranz (geschrieben 1685, veröffentlicht 1689, mit den nachfolgenden Briefen, die 1690 und 1692 veröffentlicht wurden). Seine Reputation als bedeutender Philosoph etablierte Locke mit der Veröffentlichung seiner Abhandlung in der Epistemologie, Eine Abhandlung über den menschlichen Verstand (1689). Nach seiner Rückkehr nach England war Locke ein einflussreicher Berater des postrevolutionären Regimes. Sein wichtigstes späteres Werk war The Reasonableness of Christianity as Deliver’d in the Scriptures (1695).
Werk
Lockes Überlegungen zum Naturzustand
Den Kern seines Klassischen Liberalismus legt Locke in der zweiten Abhandlung über die Regierung dar. Hier entwickelt Locke seine berühmten Lehren von Naturrechten, Eigentumsrechten, der konsensuellen Regierungsbildung und den Bedingungen, unter denen individueller und kollektiver Widerstand gegen die Regierung gerechtfertigt ist. Um die Rechtfertigung und die Grenzen der politischen Autorität zu verstehen, sollten wir uns nach Locke vorstellen, was wäre, wenn es überhaupt keine politischen Autoritäten gäbe. Ein solches Gedankenexperiment zeigt, welche Probleme, wenn überhaupt, ohne politische Institutionen existieren würden. Damit legt es offen, welche Art von politischer Autorität rationale Individuen vernünftigerweise implementieren würden. Ein wesentlicher Aspekt dieser Untersuchung des Naturzustandes ist die Frage, welche Rechte Individuen im Naturzustand besitzen. Solche Naturrechte, wenn sie existierten, würden die Individuen auf der Basis noch grundlegenderer Merkmale ihrer menschlichen Existenz besitzen.
Aus der Tatsache, dass erstens jeder von uns nach Selbsterhaltung streben sollte, und dass zweitens keiner von uns vernünftigerweise andere als Zweck unserer selbsterhaltenden Handlungen ansehen kann, zieht Locke den Schluss, dass jeder von uns ein Recht hat, über sich selbst nach eigenem Gutdünken zu verfügen. Jeder von uns besitzt ein Abwehrrecht gegen die Bestrebungen anderer, uns für ihre Zwecke zu instrumentalisieren. Da alle Menschen von Natur aus moralisch Gleichgestellte sind, muss jedes Individuum, das bestimmte Rechte für sich selbst rationaler Weise beansprucht, dieselben Rechte auch anderen Individuen zubilligen. Weil das, was wir rational gegenüber anderen beanspruchen, ein Recht auf Freiheit ist (das heißt: ein Recht, über unser Leben und unsere Freiheit nach eigenem Ermessen zu verfügen), müssen wir allen anderen den gleichen Anspruch auf Freiheit zugestehen.
In ähnlicher Weise argumentierte Locke, dass das Erkennen dessen, dass wir alle von Natur aus moralisch gleich sind und von Grund auf danach streben, uns selbst zu erhalten (unser Glück zu fördern) gleichbedeutend damit ist, in unserem Streben nach Selbsterhaltung und Glück andere in ihrem Streben nach dem gleichen nicht zu beeinträchtigen.
Der Naturzustand
Im Naturzustand hat jeder Mensch das Recht auf Leib und Leben sowie auf die eigene Freiheit. Das Naturrecht, das nach Locke den Naturzustand regiert, verlangt, dass wir alle die natürlichen Rechte des anderen respektieren. Diese Rechte beinhalten für jeden von uns auch ein Recht auf die Früchte unserer eigenen Arbeit. Rechte an bestimmten externen Objekten erwerben wir, indem wir unsere Arbeit mit Gütern vermischen, die noch keinen Eigentümer haben. Danach kann uns das so transformierte Objekt nicht weggenommen werden, ohne dass wir unserer Arbeit beraubt werden, die ja aber unser rechtmäßiges Eigentum ist. Daher haben wir jetzt ein Recht auf das transformierte Objekt.
Entscheidend ist jedoch, dass das bearbeitete Material nicht schon Eigentum eines anderen gewesen ist. Diese Ausnahme wirft eine Schwierigkeit auf, denn Locke behauptete auch, dass Gott die Erde allen Menschen gemeinsam gegeben hat. So könnte es scheinen, dass kein Mensch ohne die vorherige Zustimmung der Menschheit an irgendeinem Teil der Welt arbeiten kann. Locke argumentierte jedoch, dass Gott die Erde der ganzen Menschheit auf die Art und Weise gab, wie ein Vater seinen Kindern ein Stück Fleisch vorlegt: Jedes Kind kann eine Scheibe des Fleisches für sich selbst abschneiden – womit es Eigentum des Kindes wird – ohne die vorherige Zustimmung aller anderen einzuholen. Allerdings gibt es anfänglich zwei Einschränkungen für den Erwerb natürlicher Güter durch den Einzelnen: Das Individuum darf nicht so viel erwerben, dass ein Teil dessen, was es für sich nimmt, verdirbt, und es muss genügend natürliches Material für die anderen übriglassen.
Ungleichheit als Konsequenz von Wohlstandszuwachs
Diese früheren Beschränkungen des individuellen Gütererwerbs werden nun im Zuge der Einführung des Geldes durchbrochen. Sobald Wert an Silber- oder Goldstücke gebunden ist, können die Individuen Güter, die sonst verderben würden, gegen unverderbliche Münzen eintauschen. Diese Fähigkeit, Wert auf unbestimmte Zeit zu erhalten, gibt den Menschen einen hohen Anreiz, gegen Münzen eintauschbare Objekte zu produzieren, und neue und bessere Wege zu finden, um solche Objekte herzustellen.
An diesem Punkt kann es für Locke auch moralisch zulässig sein, anderen weniger als „genug“ natürliche Güter übrigzulassen. Denn diese Eventualität sei eine Konsequenz der Einführung von Geld, der die Menschen zustimmen, wenn sie in die Einführung von Geld einwilligen. Wenn wir uns fragen, warum jeder der Einführung von Geld zustimmen sollte, obwohl dies zu materieller Ungleichheit führen kann, müssen wir uns vor Augen führen, dass diese Ungleichheit allen nutzt: Locke zufolge führt die Einführung von Geld und der darauffolgende Anreiz zur Produktivität zu einem substantiellem Wohlstandszuwachs. Dieser ist so groß, dass sogar Individuen, die erwarten, dass sie relativ nur einen geringen Wohlstand erreichen werden, nach der Einführung von Geld immer noch größeren Wohlstand erhalten werden, als sie es andernfalls erhalten würden.
Die Autorität der Regierung
Jenseits der Rechte an Leib und Leben, Freiheit und ausgestalteten Eigentumsformen besitzen Individuen im Naturzustand auch die Berechtigung, das natürliche Recht durchzusetzen, das heißt, sich gegen Verletzungen ihrer Rechte zu verteidigen und Reparationen und Strafen durchzusetzen. Die Unannehmlichkeiten des Naturzustandes ergeben sich aus den individuellen, nicht standardisierten und unkoordinierten Versuchen der Menschen, das Naturgesetz durchzusetzen. Gerade wenn Eigentumsformen komplexer werden, bedarf es daher einer klaren öffentlichen Artikulation dessen, was wem gehört. Darüber hinaus wird der Bedarf an bekannten Gesetzen und zuverlässigen unparteiischen Richtern immer größer. Gleichzeitig steigt der Bedürfnis für verlässliche Macht zur Durchsetzung des Rechts und gerichtlicher Entscheidungen. Aus diesen Gründen verzichten Einzelpersonen unmittelbar oder mittelbar auf ihr privates Recht, als Vollstrecker des Naturrechts aufzutreten. Sie machen dieses Recht in der politischen Gesellschaft geltend, die ihrerseits einer bestimmten Regierung die Aufgabe überträgt, das Naturrecht zu artikulieren und durchzusetzen. Die Regierung hat die Aufgabe, die Rechte der Individuen auf Leib und Leben, Freiheit und Eigentum zu sichern. Diese Rechte behalten dabei ihre volle und ursprüngliche Kraft, sodass jegliche Maßnahmen der Regierung, die gegen sie verstoßen, kriminell sind. Wenn eine Person der berechtigten Auffassung ist, dass die Regierung oder ihre Vertreter seine Rechte verletzt haben, kann er sich mit Recht widersetzen – obwohl es wahrscheinlich ist, dass die Dinge für ihn nicht gut ausgehen wird, wenn er sich allein widersetzt. Verletzt die Regierung dagegen im Allgemeinen die Rechte ihrer Bürger oder versäumt sie es systematisch, ihre Rechte zu schützen, verliert sie ihren Anspruch auf Autorität und kann – notfalls mit Gewalt – ersetzt werden. Das Blutvergießen, das eine gerechte Revolution begleitet, ist nicht den Revolutionären anzulasten, sondern dem Monarchen oder den Gesetzgebern, die mit Gewalt aber ohne Recht gegen die Gerechtigkeit gehandelt haben.