Effektiver Altruismus

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Von Johannes Kirnberger

Definition

Der Effektive Altruismus (EA) ist eine den Prinzipien der utilitaristischen Philosophie nahestehende soziale Bewegung mit dem Ziel, die Ressourcen Zeit und Geld möglichst effektiv zur Verbesserung des Lebens möglichst vieler Menschen einzusetzen. EA stützt sich dabei auf empirische Ergebnisse und rationale Argumente und sieht darin einen grundsätzlichen Unterschied zur klassischen Wohltätigkeit.

Grundsätze

Das von dem Philosophen Jeremy Bentham ausgegebene Ziel des Utilitarismus, das größte Glück der größten Zahl, liegt der Idee des Effektiven Altruismus zugrunde. Konkret folgt die Bewegung einigen Grundsätzen, um diesem Prinzip gerecht zu werden. Hierzu zählen die Kosten-Nutzen-Analyse von Maßnahmen und Spenden, eine Priorisierung von globalen Problemen sowie die Unparteilichkeit gegenüber Personen, Ländern und Generationen. Kontrovers diskutiert wird die Idee des professionellen Spendens, nach der EA-Unterstützer einer Karriere in hochbezahlten (und potenziell unethischen) Industrien wie dem Finanzwesen nachgehen, um möglichst viel Geld beitragen zu können.

Einige führende Persönlichkeiten der Bewegung sind der Ansicht, dass Handlungen des effektiven Altruismus keinen supererogatorischen (übergebührlichen) Grundsätzen folgen, nach denen Spenden für wohltätige Zwecke über die moralische Pflicht eines Menschen hinaus gehen. Sie halten es vielmehr aus einer deontologischen (pflichtethischen) Überzeugung heraus für moralisch geboten, effektiv den ärmsten Menschen der Gesellschaft zu helfen, was sie über verschiedene Gedankenexperimente veranschaulichen.

Das Kind im Teich des australischen Philosophen Peter Singer ist das vielleicht bekannteste moralische Lehrstück des EA. Er beschreibt, wie ein Kind vor unseren Augen in einem Teich zu ertrinken droht. Die moralische Pflicht, das Kind ungeachtet der Beschädigung von teurer Kleidung, eines Smartphones oder einer wertvollen Uhr zu retten, erscheint zunächst offensichtlich. Singer geht hier allerdings einen Schritt weiter. Die Hilfe für geografisch weit entfernte Kinder im Teich, die beispielsweise in Afrika an den Folgen von Armut und Hunger sterben, sei moralisch genauso relevant. Die fehlende Direktheit des Leids rechtfertige keine moralischen Unterschiede und verpflichte uns ebenso dazu, den weltweit Ärmsten ohne besondere Rücksicht auf persönlichen Wohlstand zu helfen.

Globale Probleme

Der Effektive Altruismus beschäftigt sich vorrangig mit Problemen, die ein großes Potential für Leidminimierung aufweisen. Dazu zählen die globale Armut, Hunger, der Klimawandel, Tierschutz und gesundheitliche Themen wie Epidemien und mentale Gesundheit. Zusätzlich stehen Zukunftsthemen wie Künstliche Intelligenz (KI), synthetische Biologie oder Robotik im Fokus, die ein potenzielles zivilisatorisches Risiko für zukünftige Generationen darstellen könnten. Viele EA-Unterstützer arbeiten gemäß dem Prinzip des Meta-Aktivismus, nach dem indirekte Maßnahmen wie Forschung, Fundraising oder gesellschaftliche Akzeptanz für EA wirkungsvoller erscheinen als die direkte Arbeit an der Lösung von Problemen. Folglich wird politischer Aktivismus oft als ineffektiv und unbeständig angesehen. 

Organisationen und Personen

Die Philosophie des Effektiven Altruismus wird durch eine Reihe von internationalen Organisationen, Stiftungen und Einzelpersonen vertreten. Zu den bekanntesten Vertretern zählen die Oxford-Professoren William MacAskill und Toby Ord sowie die Philosophen Peter Singer, Shelly Kagan, Thomas Pogge und Peter Unger. Die Universität Oxford ist das Zentrum einiger wichtiger Forschungseinrichtungen wie des Centre for Effective Altruism, der altruistischen Karriereberatung 80,000 Hours und der Organisation Giving What We Can, deren Mitglieder sich dazu verpflichten, mindestens 10% ihres Einkommens für effektive Hilfsprojekte zu spenden.

Die gemeinnützige Organisation GiveWell analysiert und evaluiert Hilfsorganisationen anhand einer Investitionsrendite. Der Berechnung liegen empirische Faktoren wie die Kosten pro gerettetem Menschenleben zugrunde. Eine der höchstbewerteten Organisationen ist die Against Malaria Foundation, die Malarianetze in Entwicklungsländern verteilt und somit kostengünstig einen großen Beitrag zur Vorbeugung von Malariaerkrankungen leistet. Viele EA-Unterstützer orientieren sich an den Empfehlungen von GiveWell, um möglichst effektiv spenden zu können.

Das Open Philantrophy Project konzentriert sich auf Zukunftsprojekte, die gleichzeitig große Chancen und Risiken für die Menschheit mit sich bringen. Im Gegensatz zu Projekten mit einer kurzfristigen Investitionsrendite werden vordergründlich Themengebiete wie Künstliche Intelligenz, Biotechnologie, Genomforschung oder Massenvernichtungswaffen behandelt. Außerdem werden bestimmte politische Agenden der USA unterstützt, die mit den Zielen des EA übereinstimmen. Hierzu zählen die Reform des Strafrechts, Tierschutzmaßnahmen, eine offene Einwanderungspolitik und monetäre Stabilität.

Nicht zuletzt durch den Einsatz prominenter Befürworter wie Elon Musk, Steven Pinker oder Bill Gates verbreitet sich die Idee des Effektiven Altruismus zunehmend auch in Deutschland und Europa in Stiftungen, Forschungszentren und Hochschulgruppen. Innerhalb der globalen Hilfsindustrie ist der EA noch eine Randerscheinung. So gibt es im deutschsprachigen Raum bisher keine Institution, die Hilfsorganisationen nach ihrer Effektivität bewertet. Die Stiftung für Effektiven Altruismus setzt sich allerdings seit 2015 für die Verbreitung und Weiterentwicklung des EA in Deutschland ein.

Weiterführende Literatur

Peter Singer: Effektiver Altruismus: Eine Anleitung zum ethischen Leben. Berlin 2016.

William MacAskill: Gutes besser tun: Wie wir mit effektivem Altruismus die Welt verändern können. Berlin 2016.  

Johannes K.

Johannes Kirnberger studiert Internationale Beziehungen im Master an der Sciences Po in Paris und an der Columbia University in New York. Zuvor machte er in London, Turin und Berlin seinen Bachelor in Betriebswirtschaftslehre an der ESCP Europe.