Stoa

Lucas Vorsterman Wikimedia Commons (CC0)

Von Roderick T. Long

Stoizismus ist der Begriff für eine philosophische Bewegung, die das griechische und römische Denken vom 3. Jahrhundert v. Chr. bis zum 3. Jahrhundert n. Chr. dominierte. Zu ihren zentralen Lehren gehören Selbstdisziplin, Naturgesetz, Widerstand gegen Tyrannei und das bedingungslose Bekenntnis zur Pflicht.

Der Name Stoa leitet sich von der Stoa Poikilé ab, der Kolonnade in Athen, wo die Bewegung gegründet wurde. Die wichtigsten der frühen stoischen Philosophen sind Zeno von Kition, der Gründer der Schule, und Chrysippos, ein Logiker, der die stoische Lehre so gründlich überarbeitet hat, dass er auch als zweiter Gründer angesehen werden kann. Leider sind die Schriften dieser und anderer früher Stoiker verloren und müssen aus alten Berichten und Zitaten rekonstruiert werden. Der Stoizismus hat somit vor allem durch die überlieferten Schriften der späteren Stoiker, insbesondere des römischen Staatsmannes Marcus Tullius Cicero, des Dramatikers und kaiserlichen Beraters Lucius Annaeus Seneca und des griechischen Freiheitskämpfer Epictetus, Einfluss auf spätere Denker genommen. Cicero, ein Anhänger der skeptischen Einstellung der Jüngeren Akademie Platons, akzeptierte nur bedingt die Grundsätze der stoischen Philosophie, stimmte aber im Wesentlichen mit der stoischen ethischen und politischen Lehre überein. Von dieser hat er einen Großteil aus den inzwischen verlorenen Schriften von Panaitios und Poseidonios übernommen. Seneca und Epictetus sind dagegen eher orthodoxe Stoiker. Ein weiterer einflussreicher stoischer Autor war der römische Kaiser Marcus Aurelius. Die stoische Philosophie stützt sich auch stark auf die Ansichten früherer Denker wie Heraklit, Sokrates und der Kyniker.

Die zentrale Lehre der stoischen Ethik ist, dass nichts wünschenswert oder wertvoll ist außer der Tugend. Daher wird ein Stoiker von den Unbeständigkeiten des Schicksals unberührt bleiben, solange seine persönliche Ehre intakt bleibt. So wird sich ein tugendhafter Krieger den Kopf darüber zerbrechen, wie er seine Stadt retten kann. Dies ist schließlich seine Pflicht und steht darüber hinaus auch in seiner Macht. Doch er wird sich nicht wirklich darum kümmern, seine Stadt tatsächlich zu retten, denn das hängt letztendlich zu sehr vom Zufall ab und liegt nicht in seiner Verantwortung. Für diese Position gibt es mehrere stoische Argumente:

Erstens könnte man einer weisen Person vertrauen, dass sie nie von der Tugend weggelockt wird. Aber wenn etwas anderes als die Tugend wertvoll wäre, wäre ein solches Gut ein potenzieller Konkurrent zur Tugend und so wäre das Engagement der weisen Person für die Tugend doch nicht gesichert.

Zweitens ist unser Glück vergänglich, solange wir es uns erlauben, uns um Dinge außerhalb unserer Macht zu kümmern. Doch diejenigen, die sich nur um ihre eigenen Einstellungen und Entscheidungen kümmern, werden ihr Glück nie verlieren. Drittens sollte jeder von uns versuchen, wie ein guter Bühnenschauspieler zu sein und ohne Beanstandung den Teil auszuführen, der uns von Gott oder dem Schicksal übertragen wurde. Der Mensch wird mit einer instinktiven Bindung an seine eigene Selbsterhaltung und sein natürliches Funktionieren geboren und die Vernunft dient zunächst nur als Instrument für diese grundlegenden Ziel. Wird er jedoch älter und gewinnt an Reife und Erfahrung, so entdeckt er die Vernunft nicht bloß als Mittel, sondern als Ziel in seinem Leben. Das Ergebnis ist, dass unser rationales Handeln im geordneten Einklang mit anderen Menschen und der Natur unser früheres Widerstreben vollständig ersetzen wird.

Die stoische ethische Position umfasst eine negative Einstellung zu den Emotionen. Emotionen sind keine bloßen Gefühle, sondern beinhalten kognitive Urteile. Wenn wir Liebe, Angst, Wut und so weiter erfahren, verpflichten wir uns zu dem Urteil, dass bestimmte äußere Objekte gut oder schlecht sind. Diese Urteile sind jedoch falsch, weil nichts gut ist außer Tugend und nichts schlecht außer Laster. Weil ein weiser Mensch falsche Urteile nicht billigen wird, müssen wir zur Erlangung der Weisheit all diese Emotionen überwinden und uns von der Vernunft allein leiten lassen. (Der scheinbar unrealistische Charakter dieses Ratschlags wird durch die Klarstellung der Stoiker gemildert, dass die Emotionen nicht mit unseren ersten spontanen Eindrücken zu identifizieren sind, sondern mit unserer Zustimmung zu ihnen als wahre Urteile und Handlungsanweisungen.)

In der Politik vertraten die Stoiker die kosmopolitische Doktrin, dass alle Menschen Bürger einer einzigen natürlichen Gemeinschaft sind, in der von Menschen geschaffene Gesetze durch das Naturgesetz der Vernunft ersetzt wurden. Cicero schreibt dazu in „Über den Staat“: „Es wird kein anderes Gesetz in Rom und Athen oder ein anderes Gesetz jetzt und in Zukunft geben. Nur dieses eine Gesetz, ewig und unveränderlich, wird für alle Völker und zu jeder Zeit gelten.“ Zenon fasste diese Doktrin jedoch anders auf, indem er sich eine utopische Gesellschaft frei von konventionellen Institutionen wie Gerichten, Tempeln, Geld oder Einschränkungen der sexuellen Freiheit vorstellte. Die späteren Stoiker haben sich jedoch stärker an traditionelle Sitten angepasst. Stoische Schriften in der Römerzeit verteidigten Privateigentum und Handel und hielten den Schutz von Eigentumsrechten für die zentrale Funktion des Staates. Unter den Stoikern wurde das römische Recht als Spiegel des Naturrechts und der römische Imperialismus als Verwirklichung der universellen menschlichen Gemeinschaft interpretiert.

Dennoch kritisierten die Stoiker den Übergang des Römischen Reiches aus einer Republik in ein Kaiserreich. Obwohl das stoische Freiheitskonzept in erster Linie psychologisch ist, war der Stoizismus dennoch dem autokratischen Despotismus abgeneigt und blickte nostalgisch auf die vorimperialen Tage des partizipativen Republikanismus und der Rechtsstaatlichkeit zurück. Anhänger des Stoizismus zählen zu den Attentätern von Julius Cäsar und den vereitelten Mördern des Kaisers Nero.

Der Stoizismus hatte großen Einfluss auf das spätere Denken. Der Apostel Paulus kam aus Tarsus, einem Zentrum des stoischen Lernens und er zitierte häufig stoische Autoren. Eine gefälschte Korrespondenz zwischen Paulus und Seneca sicherte dessen Popularität unter den frühen Christen, und Schriftsteller wie Augustinus und Boethius waren dafür verantwortlich, viel stoisches Denken in die christliche Theologie miteinzubinden. In späteren Jahrhunderten übte der Stoizismus durch Werke wie John Lockes „Zwei Abhandlungen über die Regierung“, Jean-Jacques Rousseaus Diskurse, Adam Smiths Theorie der ethischen Gefühle und die ethischen Schriften von Immanuel Kant einen starken Einfluss auf die Entwicklung des klassischen Liberalismus aus.

Roderick T. Long

Prof. Roderick T. Long ist Professor für Philosophie an der Auburn University. Außerdem ist er Präsident des Molinari Institute und Co-Redakteur des Journal of Ayn Rand Studies. Er studierte in Harvard und promovierte an der Cornell University.