Friedman, Milton
Von Prof. Dr. Martin Leschke
Milton Friedman (1912-2006) war einer der Hauptvertreter des Wirtschaftsliberalismus. Zeit seines (wissenschaftlichen) Lebens war es sein Ziel, die Vorzüge des Wettbewerbs und der Marktwirtschaft herauszustellen und zugleich vor gut gemeinten staatlichen Interventionen zu warnen. Seine Arbeiten auf den Gebieten der Makroökonomie, Wirtschaftsgeschichte, Marktwirtschaft und Wirtschaftspolitik bescherten ihm im Jahr 1976 den Alfred-Nobel-Gedächtnispreis für Wirtschaftswissenschaften. Neben Keynes, dessen Gegenspieler er war, übte Milton Friedman einen großen Einfluss auf die Wirtschaftspolitik aus (so über die Regierungen von Ronald Reagan, USA, Margaret Thatcher, UK oder auch Augusto Pinochet, Chile).
Akademischer Werdegang
Friedman wurde am 31. Juli 1912 in Brooklyn in New York als jüngstes Kind ungarisch-jüdischer Einwanderer geboren. Er wuchs mit seinen drei Geschwistern in der Kleinstadt Rahway in New Jersey (nicht weit entfernt von New York) in eher armen Verhältnissen auf. Seine akademische Laufbahn begann der nur 1,60 Meter große Wissenschaftler als 16-Jähriger mit einem Mathematik- und Ökonomiestudium an der State University of New Jersey (Rutgers University). Nach seinem Bachelorabschluss in Mathematik und Ökonomie im Jahr 1932 entschied er sich für ein Masterstudium in Ökonomie an der University of Chicago, das er 1933 abschloss. Dort lernte er auch seine spätere Frau Rose Director kennen. Mithilfe eines Stipendiums studierte er 1933-34 an der Columbia University statistische Methoden (bei dem berühmten Ökonomen Harold Hotelling). Anschließend arbeitete er als wissenschaftlicher Assistent an der Chicago University (bei Henry Schulz). Beeinflusst wurde Friedman während seiner akademischen Ausbildung schon recht früh von Jacob Viner, Frank Knight, Henry Simons und Harold Hotelling und etwas später durch seine freundschaftliche Beziehung zu George Stigler und Allen Wallis.
Im Jahr 1935 folgte er Allen Wallis mangels anderer Alternativen nach Washington D.C., wo er am National Resources Planning Board arbeitete und erste Ideen für seine Doktorarbeit (Theory of the Consumption Function) sammelte. Dies setzte sich während seiner anschließenden Beschäftigung am National Bureau of Economic Research (unter der Leitung von Simon Kuznets) fort. 1938 heiratete er die Ökonomin Rose Director (aus der Ehe gingen zwei Kinder hervor: Janet und David Friedman). 1940 nahm er eine Stelle als Assistenzprofessor an der University of Wisconsin–Madison an, die er jedoch aufgrund politischer Unstimmigkeiten mit der Fakultät (es ging über Amerikas Rolle im Zweiten Weltkrieg) schnell wieder abbrach. Stattdessen arbeitete er 1943 am „Division of War Research“ an der Columbia University. Im Jahr 1945 reichte er an der Columbia University seine Doktorarbeit (Incomes from Independent Professional Practice) ein, für die er 1946 seinen PhD (Doktortitel) erhielt. Nach einem kurzen Ein-Jahres-Engagement an der University of Minnesota (vermittelt durch George Stigler) nahm er 1946 einen Ruf an die Chicago University an, der er 30 Jahre bis zu seinem Ruhestand im Jahr 1977 treu blieb.
Milton Friedman beeindruckte nicht nur die Wirtschaftswissenschaften durch seine Werke im Bereich der Konsumforschung, der monetären Makroökonomik, der liberalen Marktanalyse und Analyse staatlichen Handelns in der Sozial-, Migrations-, Drogen- und Wettbewerbspolitik. Seine Analysen und Empfehlungen drangen auch in die Nachbarwissenschaften und in die Politik vor. Auch in den Medien verschaffte sich Friedman eine hohe Präsenz – und das nicht nur in Zeitungen und Zeitschriften, sondern auch im Fernsehen. So konzipierte er „Free to Choose: A Personal Statement“ (1980) zusammen mit seiner Frau Rose nicht nur als allgemeinverständliches Buch, sondern auch als Fernsehserie.
Milton Friedmans Liberalismus
Milton Friedmans Liberalismus ist keine gesellschaftlich geschlossene liberale Konzeption, wie Sie zum Beispiel F.A. von Hayek oder J.M. Buchanan vorlegen. Friedman ist ein Vertreter des Wirtschaftsliberalismus. Er misst dem Individuum ein hohes Maß an Entscheidungskompetenz und Verantwortung zu; denn er tritt für eine recht freie Marktwirtschaft ein.
Die Marktwirtschaft ist seiner Ansicht nach allen anderen Koordinationsmechanismen aufgrund des Prinzips des Leistungswettbewerbs überlegen und schafft Chancen und Wohlstand für die Bürger. Allerdings stellt sich eine auf dem Wettbewerbsprinzip fußende freie Marktwirtschaft nicht ohne Weiteres von selbst ein. Dem Staat kommt diesbezüglich die Aufgabe zu, den Rahmen geeigneter Eigentums- und Schutzrechte zu setzen und dessen Durchsetzung zu garantieren. Innerhalb des so gestalteten Rahmens ist es moralisch keinesfalls verwerflich, sondern im Gegenteil für das Funktionieren der Marktwirtschaft förderlich, wenn die Unternehmen nach dem Prinzip der langfristigen Gewinnmaximierung agieren. Die Schnittstelle der Moral – die Frage tolerabler und nicht tolerierbarer Handlungen – soll und muss sich im Regelrahmen manifestieren. Vor diesem Hintergrund erscheint sein Statement „The Social Responsibility of Business Is to Increase Its Profits“ vom 13. September 1970 im New York Times Magazin nicht ganz so provokativ.
Um die Marktwirtschaft funktionsfähig zu halten, ist nach Milton Friedman zudem eine adäquate Wirtschaftspolitik notwendig. Dies ist eine Politik, die möglichst nicht in die marktwirtschaftlichen Ergebnisse interveniert, sondern prinzipiengeleitet ausgestaltet ist. Was darunter zu verstehen ist, machte er für einige Bereiche deutlich; so etwa für die Makro-Politik, die Sozialpolitik oder die Bildungspolitik.
Bezüglich der Makropolitik, also der Geld- und Fiskalpolitik eines Landes oder einer Staatengemeinschaft, schlägt er als Regelbindung vor, die Verschuldungsmöglichkeiten des Staates einzudämmen (zum Beispiel durch Verfassungsschranken) und die Expansion der Geldmenge (zum Beispiel der Zentralbankgeldmenge) an der Entwicklung des langfristigen Wachstumspfades auszurichten. Mit dieser Art der Makropolitik würde die Gefahr einer staatlichen Schuldenspirale entschärft und über die regelgebundene Geldpolitik wäre automatisch ein konjunkturglättendes Element eingebaut. Denn in wirtschaftlichen Schwächephasen ist die Geldversorgung, die sich am langfristigen Wachstum orientiert, automatisch expansiv ausgerichtet und in wirtschaftlichen Boomphasen, die eine vergleichsweise hohe Wirtschaftsdynamik aufweisen, kontraktiv. Damit wirkt die regelgebundene Makropolitik stabilisierend auf die Konjunktur. Die Gefahr von wirtschaftlichen Überhitzungen und nachfolgenden Krisen wird eingedämmt und auf diese Weise ein geeigneter Rahmen für das freiheitliche Wirtschaften im Markt geschaffen.
Auch im Bereich der Sozialpolitik tritt Friedmann für ein einfaches Prinzip ein: nämlich für die Einführung des Konzepts der „negativen Einkommensteuer“. In seinem Buch „Capitalism and Freedom“ schlägt er vor, sämtliche staatlichen Wohlfahrtsprogramme durch ein einziges Instrument – eben die negative Einkommensteuer – zu ersetzen. Sein Ziel ist es, zum einen Transparenz zu schaffen und Diskriminierungen (Ungleichbehandlungen) des Wohlfahrtsstaates abzubauen und zum anderen die Arbeitsanreize für Sozialhilfeempfänger (mit tiefen Grenzsteuersätzen bei steigendem Einkommensniveau) zu erhöhen. Durch diese einfache Regel wird eine marktkonforme (nicht interventionistische) Sozialpolitik implementiert, die den Bürgern zudem Sicherheit garantiert.
Bekannt geworden ist auch Friedmans Vorschlag aus dem Jahr 1955, Diskriminierungen in der Schulbildung durch die Ausgabe von Bildungsgutscheinen entgegenzutreten. Der Bildungsgutschein lautet auf den Betrag, der den durchschnittlichen Bildungsausgaben des Staates pro Schüler entspricht. Diesen Bildungsgutschein können die Eltern bei einer Schule ihrer Wahl einlösen. Die Schule wiederum präsentiert die Gutscheine dem Staat, und erhält von diesem den entsprechenden Geldwert zurück. Arme wie reiche Familien erhalten so die gleichen Chancen der Schulwahl. Die Schulen ihrerseits sehen sich durch dieses System einem höheren Wettbewerb ausgesetzt und müssen sich aktiv um eine gute Ausbildung, um einen guten Ruf, bemühen. Sie werden also versuchen, gute Lehrer zu akquirieren und gute Konzepte zu entwickeln und diese bekannt zu machen. Schlechte Schulen, denen das nicht gelingt, werden auf diese Weise vom Bildungsmarkt verdrängt.
Darüber hinaus stellte er sich gegen Überregulierungen wie die Mietpreisbindung oder staatlichen (bzw. staatlich unterstützten) Wohnungsbau, trat für den Abbau von Subventionen ein, kritisierte die Wehrpflicht und staatliche Monopole wie das Postmonopol, stellte sich gegen regulatorische Einschränkungen der freien Berufswahl und trat für die Privatisierung der gesetzlichen Sozialversicherung ein.
Fazit
Als Fazit lässt sich festhalten, dass Milton Friedman sich vehement für ein freiheitliches Marktsystem einsetzte. Er sah die wirtschaftliche Freiheit aber nicht nur als einen Garanten für Wohlstand, sondern auch als eine wichtige Voraussetzung für die Funktionsfähigkeit der Demokratie. Darüber hinaus versuchte er willkürliches staatliches Handeln im Bereich der Wirtschaftspolitik durch Regelbindungen einzudämmen (Eindämmung des „Leviathan-Problems“). Er sah den Staat zugleich aber als notwendig an, um den Rechtsrahmen zu entwickeln und durchzusetzen und bestimmte Kollektivgüter bereitzustellen, die der Markt nicht hervorbringen kann. Diesbezüglich unterscheidet er sich von libertären Anarchokapitalisten, zu denen auch sein Sohn David Friedman zählt, die für die Abschaffung des Staates plädieren.
Literatur
Friedman, Milton (1948): A Monetary and Fiscal Framework for Economic Stability, American Economic Review 38, S. 245–264.
Friedman, Milton (1962): Capitalism and Freedom, Chicago.
Friedman, Milton und Anna .J. Schwartz (1963): A Monetary History of the United States, 1867-1960, Princeton.
Friedman, Milton und Rose (1980): Free to Choose. A personal Statement, New York.
Friedman, Milton (1993): Why Government is a Problem, Stanford.
Friedman, Milton (2002): Kapitalismus und Freiheit, aus dem Englischen von Paul C. Martin, mit einem Geleitwort von Horst Siebert, Frankfurt a.M.
Leschke, Martin (2012): Milton Friedman: Nicht nur ein „Monetarist“!, in: Wirtschaftsdienst. 92. Jg., Heft 8, S. 541–546.
Pies, Ingo und Martin Leschke (2004) (Hrsg.): Milton Friedmans ökonomischer Liberalismus, Tübingen.