Schumpeter, Joseph

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Von Madeleine Bausch

Als einer der bekanntesten Ökonomen beeinflusste Joseph A. Schumpeter (1883 – 1950) das Denken über den Kapitalismus weltweit. Mit seinen Werken und Lehren verbreitete er seine Ideen über die „schöpferische Zerstörung“ von Innovationen, die fundamentale Rolle des Unternehmers in der wirtschaftlichen Entwicklung und den Zusammenhang zwischen Kapitalismus und Gesellschaft. Heute gilt Schumpeter als einer der bedeutendsten und meistzitiertesten Ökonomen des 20. Jahrhunderts, dessen Theorien und Modelle auch heute noch Aktualität beweisen.

Biographie

Geboren wurde Schumpeter 1883 in Triesch, in der damals österreichisch-ungarischen Provinz Mähren (heute: Tschechien) als Kind von Joseph Alois Karl Schumpeter, Inhaber einer Textilfabrik, und dessen Frau Johanna. Nach dem frühen Tod seines Vaters ging die Familie nach Wien, wo Schumpeter die Schule besuchte. Sein Interesse an der Ökonomie entwickelte er bereits früh, sodass er schließlich Rechtswissenschaften an der Universität Wien studierte – ein Studium der Ökonomie war damals nur im Rahmen des Rechtsstudiums möglich. Schumpeter war Schüler Friedrich von Wiesers und Eugen Böhm von Bawerks und wurde unter anderem von den Ideen Ludwig von Mises‘ und Otto Bauers, aber auch durch Marx‘ Werttheorie beeinflusst.

Nach seiner Promotion über Theorien der Nationalökonomie an der Universität Wien wurde er 1911 als Professor an die Universität Graz berufen. Seitdem war sein Leben durch weltweite Mobilität geprägt: er forschte und lehrte an verschiedenen Universitäten in New York, Berlin, Bonn, London, Kairo sowie in Harvard und unternahm verschiedene Vortragsreisen – auch nach Japan und Mexiko.

Seine bedeutendsten Publikationen sind:

  • Das Wesen und der Hauptinhalt der theoretischen Nationalökonomie, Habilitationsschrift (1908)
  • Theorie der Wirtschaftlichen Entwicklung (1912)
  • Business Cycles (1939)
  • Capitalism, Socialism and Democracy (1942).
  • History of Economic Analysis (1954)

Werk

Bekannt ist Joseph A. Schumpeter vor allem aufgrund seiner Überlegungen zur treibenden Kraft von Innovationen in der Wirtschaft, des von ihm entworfenen Profils des Unternehmers sowie seiner Gedanken über Konjunkturzyklen, welche im Folgenden vorgestellt werden.

Überlegungen zu langen Wellen der Konjunktur

Auf der Suche nach den Ursachen wirtschaftlicher Veränderung und Dynamik analysiert Schumpeter bestehende Zyklenmodelle; er stützt sich dabei auf die Arbeiten von Clément Juglar, Joseph Kitchin und Nikolai Konradtieff. Schumpeter erkennt in seinen Studien, dass die drei Zyklen des Auf- und Abschwungs sich gegenseitig überlagern und beeinflussen und integriert diese in seinem Aufsatz „Business Cycles“ in sein eigenes Schema der Konjunkturzyklen: Hierbei führt er die kürzeren Kitchin-Zyklen (40 Monate) mit Juglar-Zyklen (7-11 Jahre) und mit denen Konradtieffs (50-60 Jahre) zusammen.

Konradtieff schrieb bereits 1926 vom Zusammenhang zwischen neuen Technologien und dem Aufschwung des Konjunkturzyklus; allerdings sah er die neuen Techniken als Folge des Aufschwungs. Inspiriert von dessen Idee veränderte Schumpeter diese Annahme, sodass die technischen Neuerungen nicht die Folge, sondern der Grund für den wirtschaftlichen Aufschwung seien. Auch er geht folglich von langen Wellen der Konjunktur aus.

Grund der Auslösung von solch langen Konjunkturzyklen seien sogenannte Basisinnovationen wie die Dampfmaschine, die Eisenbahn oder die Elektroenergie, welche alle eine Reihe an Folgeinnovationen nach sich ziehen – heutzutage auch „disruptive Innovationen“ genannt. Schumpeter zufolge ist es demnach die Innovation, die das „zentrale Bewegungsmoment“ (Swedberg 1991, 182) im Kapitalismus darstellt. Innovation bezeichnet er schließlich als „Prozeß der schöpferischen Zerstörung“ („creative destruction“) – ein Begriff, für den Schumpeter weltweit berühmt wird. In seinem späteren Artikel von 1947 – The creative response in economic hostory – revidiert er diesen jedoch und benennt ihn „creative response“ um. Er leitet schließlich vier Phasen des Konjunkturzyklus ab: Prosperität – Rezession – Depression – Erholung.

Trotz seiner methodischen Kombination von deduktiven Vorüberlegungen und der Integration empirischer Daten sind seine Überlegungen zu den Konjunkturzyklen stark umstritten – der Grund, warum sein Werk Business Cycles eines seiner am wenigsten erfolgreichsten ist. Nichtsdestotrotz lieferte es die Grundlage für das spätere Buch Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie (1942).

Überlegungen zu Innovationen

Innovationen sind für Schumpeter der Motor der wirtschaftlichen Entwicklung. Diese definiert er als „neue Kombination von Ressourcen“ (Theorie der Wirtschaftlichen Entwicklung, 1912) und unterscheidet dabei:

  1. Die Produktion eines neuen Produktes.
  2. Die Einführung einer neuen Produktionsmethode.
  3. Die Erschließung eines neuen Absatzmarktes.
  4. Die Erschließung einer neuen Bezugsquelle.
  5. Die Durchführung einer Neuorganisation (z.B. die Schaffung oder Abschaffung einer Monopolstellung).

Der Innovationsprozess konstituiert sich nach Schumpeter aus drei Phasen: Invention, Innovation und Diffusion. Wichtig ist hierbei zunächst die Unterscheidung zwischen Innovation und Invention: Während Inventionen nur reine Ideen und Konzepte von oben genannten Neuerungen sind, meint die Innovation die Umsetzung von diesen sowie die Vermarktung auf dem Absatzmarkt. Die dritte Phase – die Diffusion – meint die Verbreitung der Innovation auf unterschiedlichen wirtschaftlichen Ebenen. Eine Branche bzw. ein Unternehmen kann nach Schumpeters Überlegungen nur solange existieren, wie das Unternehmen neue Innovationen hervorbringt. Wie oben bereits erläutert, sind es vor allem die disruptiven Innovationen, die den Aufschwung in den Konjunkturzyklen bewirken

Die Figur des dynamischen Unternehmers

In seinen Überlegungen zu Innovationen wird die Figur des Unternehmers zentral: die Person, die jene neuen Ideen und Innovationen hervorbringt. Diesen beschreibt Schumpeter in der Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung (1912).

Der Unternehmer:

  1. besitzt die Fähigkeit, Initiative zu übernehmen. Er betritt unbekanntes Terrain mit seinen Ideen, von denen er ex-ante nicht weiß, ob sie a) umsetzbar sind und b) im Markt Erfolg haben werden. Neues stößt in der Gesellschaft bekanntlich auf Widerstand – der Unternehmer muss dementsprechend Risikobereitschaft und Flexibilität beweisen.
  2. weiß, was er will und kann andere Menschen begeistern. Er ist zielstrebig und visionär, sieht die Invention demnach als umsetzbare Möglichkeit und kann andere vom Erfolg seiner Idee überzeugen.
  3. besitzt die Fähigkeit, Entscheidungen treffen zu können sowie mit einer dynamischen Umwelt umzugehen. Der konstruktive Umgang mit Schocks, Gegnern und Hürden aus der Umwelt gehören zum unternehmerischen Tun dazu.

Mit der Figur des „Entrepreneurs“ konfrontiert Schumpeter das zu der Zeit vorherrschende Bild des rationalen Menschen, des homo oeconomicus.

Wandel

Insgesamt ist ein Wandel im Schumpeter‘schen Denken im Laufe der Zeit – zwischen der Publikation seiner Habilitation und späteren Werken – zu verzeichnen:

  1. Während er in seinen ersten Publikationen – wie die meisten Akademiker zu dieser Zeit – von statischen Modellen der Wirtschaftswissenschaften ausgeht, so revidiert er diese Annahmen in seinem Werk von 1912, in der Theorie der Wirtschaftlichen Entwicklung. Schumpeter versteht wirtschaftliche Entwicklung fortan als ein Prozess des Zusammenspiels unterschiedlicher endogener Faktoren und Ursachen (z.B. menschliches Handeln, Produktionsmittel, Erfindungen) und Kombinationen dieser Faktoren, welche ständiger Veränderung ausgesetzt und dementsprechend von Dynamik geprägt sind. Diskontinuierliche Veränderungen – in seiner Theorie allen voran Innovationen des Unternehmers – prägen das Wirtschaftsleben.
  2. Ein weiterer Wandel findet auf erkenntnistheoretischer Ebene statt: hier entwickelt sich Schumpeter vom Verfechter der deduktiven Methoden hin zum Advokaten einer Kombination von Deduktion und Induktion: theoretische Vorüberlegungen sollen mit empirischen Fakten verknüpft werden, um Aussagen über die Wirtschaft und deren Entwicklung treffen zu kennen. Deduktive Methoden allein reichen in den Wirtschaftswissenschaften nicht aus, um zu neuen Erkenntnissen zu gelangen.
  3. Zudem wendet sich Schumpeter im Laufe seiner akademischen Tätigkeiten vom „ökonomischen Purismus“ (Bass 1998, 11) ab. Der Einbezug psychologischer und soziologischer Faktoren ist fundamental, um ökonomische Phänomene zu untersuchen. Eine klare Öffnung zur Transdisziplinarität ist somit in seinen Werken erkennbar – und auch das Erbe Ludwig von Mises‘ Denken.

Schumpeters Ideen und Theorien prägten und prägen in der weiteren wissenschaftlichen Entwicklung zahlreiche Ökonomen und Wissenschaftler und zeigen bis heute große Aktualität und Relevanz.

Quelle

Bass, H. H. (1998). J.A. Schumpeter: eine Einführung. Gastvorlesungen an der Aichi-Universität, Toyohashi / Japan. Materialien des Universitätsschwerpunktes „Internationale Wirtschaftsbeziehungen und Internationales Management“ der Universität Bremen, Bd. 12.

Borbély, E. (2008). J. A. Schumpeter und die Innovationsforschung. In: 6th International Conference on Management, Enterprise and Benchmarking, S. 401-410.

McCraw, T. (2008): Joseph A. Schumpeter. Eine Biographie. Hamburg: Murmann.

Swedberg, R. (1994). Joseph A. Schumpeter: eine Biographie. Stuttgart: Klett-Cotta.

Madeleine Bausch

Madeleine Bausch ist Doktorandin und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Interkulturelle Kommunikation an der Universität Passau. Zuvor studierte sie Kultur und Wirtschaft an der Universität Mannheim.