Mill, John Stuart
Von Aeon Skoble
John Stuart Mill (1806-1873) wurde von seinem Vater James Mill in einer Vielzahl von Disziplinen ausgebildet, darunter klassische Musik, Philosophie, Geschichte, Wirtschaft, Mathematik und Logik. Sein Vater war ein enger Mitarbeiter von Jeremy Bentham, der einer der ersten Vertreter der utilitaristischen Ethik war. Infolgedessen kam der junge Mill schon in jungen Jahren mit diesen Ideen in Berührung. Dabei erstreckte sich sein Lernen über viele Bereiche. Im Alter von 3 Jahren konnte er Griechisch und im Alter von 8 Jahren Latein lesen. 35 Jahre lang arbeitete er für die Ostindienkompanie und konnte gleichzeitig auch über eine Vielzahl von Themen schreiben. Zu seinen wichtigsten Büchern gehören „System der deduktiven und induktiven Logik“ (1843), „Grundsätze der politischen Oekonomie“ (1848), „Über die Freiheit“ (1859), „Betrachtungen über die Repräsentativregierung“ (1861), „Utilitarismus“ (1863), „Auguste Comte und der Positivismus“ (1865), „Die Hörigkeit der Frau“ (1869) und seine Autobiographie (1873). 1851 heiratete er Harriet Taylor, mit der er seit etwa 20 Jahren eine enge intellektuelle und möglicherweise romantische Beziehung hatte.
Mill ist in erster Linie für seine Beiträge zur moralischen und politischen Philosophie und Logik bekannt. Utilitarismus und Liberalismus verfügen über beträchtliche Unterschiede, aber Mills Konzeption von beiden war einzigartig. Sein Versuch, sie miteinander zu verbinden, brachte interessante Einblicke in beide Konzepte. Obwohl Mill von den moralischen Theorien seines Vaters und Benthams beeinflusst wurde, weicht der Utilitarismus von Mill auf mindestens zwei klar erkennbare Arten von den Lehren Benthams ab. Erstens ergibt sich aus Benthams Argumentation, dass unsere Handlungen das größte Gute für die größte Zahl bringen sollten. Damit identifiziert er das Gute als Vergnügen, wobei Schmerz das entsprechende Übel ist. Genüsse und Schmerzen unterscheiden sich nur in quantitativen Größen wie Intensität, Dauer, Wiederholungswahrscheinlichkeit und so weiter. Aber „bei gleicher Quantität des Genusses sind Mensch-ärgere-dich nicht und Gedichte einerlei“. Mill hingegen argumentierte, dass sich die Freuden sowohl qualitativ als auch quantitativ unterscheiden könnten. Die mit der Ausübung und Entwicklung der höheren Fähigkeiten verbundenen Freuden seien an sich wertvoller. In einem viel zitierten Abschnitt sagt Mill: „Es ist besser, ein unzufriedener Mensch zu sein als ein zufriedenes Schwein. Besser, ein unzufriedener Sokrates zu sein als ein zufriedener Narr. Und wenn der Narr oder das Schwein anderer Meinung sind, dann deshalb, weil sie nur ihre eigene Sicht der Dinge kennen. Die andere Partei des Vergleichs kennt beide Seiten.“ Mit anderen Worten, Menschen sind in der Lage, die Art von Dingen zu schätzen, die einem Schwein Freude bereiten könnten (Nahrung, Schlaf, Sex), aber das Schwein ist nicht in der Lage, menschliche Freuden wie Liebe, Drama oder intellektuelles Wachstum zu verstehen. Mensch-ärgere-dich nicht, ein relativ sinnloses Kinderspiel, ist nicht so gut wie Poesie, auch wenn man stundenlang spielt, weil es die höheren Fähigkeiten weder trainiert noch entwickelt.
Aristoteles argumentierte diesbezüglich, dass sich das menschliche Gut kategorisch von dem für andere Kreaturen zugänglichen unterscheidet. Wenn Mill also das Prinzip „höchstes Gut für die größte Zahl“ unterstützt, dann tut er dies mit einem besonderen Verständnis von „gut“. Nämlich einem ausgesprochen menschlichen „gut“, das mit der Entwicklung des Menschen verbunden ist, den „ständigen Interessen des Menschen als fortschrittliches Wesen“.
Die zweite große Abweichung von Benthams Lehren spiegelt die Unterscheidung wider, die zeitgenössische Moralphilosophen zwischen Handlungsutilitarismus und Regelutilitarismus machen. Bentham argumentierte, dass Handlungen nur insoweit gut seien, als sie das „höchste Gut für die größte Zahl“ bewirkten. Diesbezüglich ist kritisch anzumerken, dass es schwierig ist, alle zukünftigen Folgen einer Handlung zu kennen. Es ist wahrscheinlich unmöglich, in einer gegebenen Situation zu wissen, ob etwas das größte Gesamtgut hervorbringt, da man nicht alle zukünftigen Folgen vorhersagen kann. Mill schlug vor, dass wir nicht jede einzelne Aktion nach ihrem Nutzen bewerten. Stattdessen müssten Regeln oder Grundsätze aufgestellt werden, wie insgesamt gesehen das größte Wohl für die meisten Menschen erzeugt werden kann.
Mills Verteidigung der Freiheit als politisches Prinzip folgt aus seinem Verständnis von utilitaristischen Moralvorstellungen. Eine notwendige Voraussetzung für das soziale Wohlergehen, so Mill, ist die individuelle Freiheit. Dieser Begriff wird in einer anderen, häufig zitierten Passage deutlich. In „Über die Freiheit“ schreibt er:
„Der Zweck dieser Abhandlung ist es, einen sehr einfachen Grundsatz aufzustellen […] dass der einzige Grund, aus dem die Menschheit, einzeln oder vereint, sich in die Handlungsfreiheit eines ihrer Mitglieder einzumengen befugt ist, der ist: sich selbst zu schützen. Dass der einzige Zweck, um dessentwillen man Zwang gegen den Willen eines Mitglieds einer zivilisierten Gemeinschaft rechtmäßig ausüben darf, der ist: Die Schädigung anderer zu verhüten. Das eigene Wohl, sei es das physische oder moralische, ist keine genügende Rechtfertigung“
Die hier vertretene antipaternalistische Position ist integraler Bestandteil des liberalen Denkens. Das allgemeine Prinzip, dass Verhalten, das anderen nicht schadet, nicht gesetzlich verboten werden sollte, definiert praktisch den Liberalismus. Dabei haben andere Theoretiker und Aktivisten Mill auf viele verschiedene Arten verteidigt oder erweitert.
Mill plädierte für eine Reihe von Freiheiten, die für die Entwicklung des Guten besonders entscheidend sind: Gewissensfreiheit, einschließlich Gedanken- und Meinungsfreiheit und Pressefreiheit; Freiheit des Geschmacks und der Bestrebungen, einschließlich Lebensstil und Berufswahl (vorausgesetzt natürlich, dass die eigene Wahl nicht die Freiheit anderer verletzt); und die Freiheit, sich mit anderen zu jedem Zweck, der anderen nicht schadet, zu verbinden und sich mit ihnen zu vereinen. Diese Freiheiten sind notwendig für die Entdeckung der Wahrheit und für die Entwicklung der Kultur. Diese Freiheiten zu verweigern, hemmt nicht nur unsere Menschheit, sondern führt höchstwahrscheinlich zu falschen Lehren in Moral, Religion und Wissenschaft. Lehren, die einmal aufgestellt fast unmöglich zu korrigieren sind. Auch wenn Meinungen eindeutig falsch sind, und wir sie verbieten wollen, stellen sie einen wirksamen Gegenpol dar, gegen den wir unsere Überzeugungen testen und stärken können.
In seinen Schriften über die politische Ökonomie bekannte sich Mill zu freien Märkten, mit einigen bemerkenswerten Ausnahmen. Er erkannte an, dass die Bürokratie einer zentralisierten Wirtschaft nicht produktiv sein würde und dass wettbewerbsorientierte Märkte mit höherer Wahrscheinlichkeit zu mehr Wohlstand führen würden. Er hat diese Sichtweise jedoch nicht auf alle Aspekte des Wirtschaftslebens ausgedehnt. Er ging davon aus, dass Straßen und grundlegende Versorgungseinrichtungen im Besitz der Regierung sein und von ihr verwaltet werden sollten. Er unterstützte arbeitnehmergeführte Unternehmen mit der Begründung, dass diese Form der Vereinigung am ehesten geeignet sei, Klassenfeindlichkeit zu minimieren und die Produktivität zu steigern. Mill war auch ein früher Befürworter der politischen Gleichberechtigung von Frauen.
Durch sein Verständnis des Utilitarismus und der daraus folgenden Verteidigung der Freiheit unterschied sich Mill deutlich von Befürwortern des Naturrechtsliberalismus wie Locke und ist ein Vorfahre einer Vielzahl weiterer Ansätze des Liberalismus.
Literatur
Mill, John S.: Über die Freiheit. Stuttgart: Reclam, 2008.
Mill, John S.: Die Hörigkeit der Frau. Nebst einem Vorbericht. Berlin: Berggold, 1872. [online] https://www.projekt-gutenberg.org/mill/hoerig/index.html [07.09.2020]
Mill, John S.: Utilitarianism / Utilitarismus. Stuttgart: Reclam, 2008.