Thoreau, Henry David

Benjamin Dexter Maxham Wikimedia Commons (CC0)

Von Sebastian Callian

Schriftsteller, Dichter, Philosoph, Romantiker, Urhippie, Lebenskünstler, Antikapitalist, Abolitionist – Henry David Thoreau wurden viele Etiketten verliehen, was Ausdruck seiner schillernden Persönlichkeit ist.

Thoreau lebte zwei Jahre in Walden‘s Pond, einer selbst gebauten Holzhütte auf einem Grundstück seines Mentoren und Freundes Ralph Waldo Emerson. Hier schrieb er mit einem selbstgemachten Bleistift sein wohl berühmtestes Werk „Walden oder Leben in den Wäldern“.

Sein wichtigstes politisches Werk ist das Essay „Civil Disobedience“, dessen Titel wörtlich übersetzt als Begriff des „zivilen Ungehorsams“ Eingang in den deutschen Sprachgebrauch fand. Dort spricht er sich vor allem für den Widerstand gegen unmoralische Gesetze aus. Er weigerte sich Steuern zu zahlen, um gegen den Mexikokrieg und die Sklaverei zu protestieren und verbrachte deshalb sogar eine Nacht im Gefängnis. Das Werk war Vorbild für den Widerstandskampf von Mahatma Gandhi und Martin Luther King jr.

Biographie

Henry David Thoreau wurde am 12. Juli 1817 in Concord, Massachusetts als Sohn eines Bleistiftfabrikanten geboren. Er studierte vier Jahre lang in Harvard und war dort u. a. auch in einer Studentenrevolte involviert. Bei seiner Rückkehr nach Concord im Jahre 1837 lernte er die wohl wichtigste Person in seinem Leben kennen, den Philosophen Ralph Waldo Emerson. Dieser brachte Thoreau dem Transzendentalismus näher, einer philosophischen Richtung, die vor allem in den USA in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts verbreitet war. Der Transzendentalismus geht davon aus, dass die gesellschaftlichen Institutionen den Menschen verdorben hätten und dass er nur im Leben mit der Natur als unabhängiger Mensch zu sich selbst zurückfinden könne. Er betont vor allem die Stärke des Individuums.

Emerson fungierte von da an als Mentor und väterlicher Freund für Thoreau. Er inspirierte Thoreau auch zum Schreiben. Thoreau lebte einige Zeit in seinem Haus und arbeitete für ihn. Der wichtigste Punkt in Thoreaus Leben war wohl seine Zeit in einer Hütte bei Walden‘s Pond. Er baute sich eine Holzhütte in einem Stück Wald, das Emerson gehörte und zog sich zum Schreiben dorthin zurück. Hier lebte er im Einklang mit der Natur, wie dies später romantisch verklärt wurde, um ein einfaches Leben fernab der Zivilisation zu propagieren. In Wahrheit lebte er nicht völlig abgeschieden mitten in unberührter Natur. Die Hütte war nur etwa eine Stunde Fußweg von Concord entfernt und er nutzte die Tage auch zu ausgedehnten Spaziergängen in die Stadt. Auf einem dieser Spaziergänge traf er auch seinen Nachbarn Sam Staples, den örtlichen Steuereintreiber. Thoreau hatte schon seit 6 Jahren keine Steuern mehr bezahlt. Er protestierte damit gegen den Mexikokrieg und gegen die Sklaverei. Da er sich weiterhin weigerte die Steuerschuld zu begleichen, wurde er ins Gefängnis gebracht. Dort verbrachte er jedoch nur eine Nacht, da eine Frau seine Steuerschuld beglich. Es ist bis heute nicht abschließend geklärt, wer es war. Zwei Jahre blieb er in seiner Hütte, bevor in das Haus Emersons zurückkehrte. In seinen späteren Jahren überarbeitete er sein Hauptwerk, das er am Walden‘s Pond geschrieben hatte, mehrfach und widmete sich mehr der Naturbeobachtung. Er blieb bis zu seinem Tod ein aufmerksamer Beobachter von Natur und Gesellschaft und schrieb gegen die Sklaverei an. Seit 1835 hatte er sporadisch mit den Nachwirkungen einer Tuberkuloseerkrankung zu kämpfen. 1860 erkrankte er an einer Bronchitis, von der er sich nie mehr richtig erholte. Er wurde schwächer und starb am 6. Mai 1862 im Alter von 44 Jahren.

Wichtigste Werke

Seine wichtigsten Werke schrieb Thoreau während seines Aufenthaltes in seiner Hütte am Walden‘s Pond. Zum einen „Walden oder Leben in den Wäldern“ und zum anderen „Civil Disobedience“ („Über die Pflicht zum Ungehorsam gegen den Staat“).

Walden oder Leben in den Wäldern

In Walden fasste Thoreau seine Tagebucheinträge, die er während seines Aufenthaltes in seiner Hütte am Walden‘s Pond verfasste, zusammen. Es ging ihm bei seinem zweijährigen Experiment um ein genügsames Leben in der Natur, um sie besser zu verstehen und wieder bewusster und unabhängiger zu leben. Wie er selbst schrieb, wollte er „das Mark des Lebens aussaugen.“ Er übte damit auch Kritik an der industriellen Gesellschaft, wodurch ihm bis heute das Etikett eines Antikapitalisten angehängt wird. Das stimmt jedoch nur bedingt. Er hatte ein ambivalentes Verhältnis zum technischen Fortschritt und der modernen Industriegesellschaft. Er erkannte die positiven Seiten des Fortschritts, die Erleichterung des Lebens, durchaus an. Er warnte nur davor, dass der Mensch in Gefahr sei, unter die Räder zu kommen und nur noch für die Arbeit zu leben. Ihm war das bewusste Leben des Individuums wichtig. Dies zieht sich durch sein ganzes schriftliches Werk, so auch durch sein wichtigstes politisches Essay.

Civil Disobedience (Über die Pflicht zum Ungehorsam gegen den Staat)

„That government is best which governs least; […] That government is best which governs not at all; and when men are prepared for it, that will be the kind of government which they will have.“ So beginnt Thoreaus wichtigstes politisches Essay. Auch wenn der zweite Satz darauf schließen könnte, dass Thoreau Anarchist war, schließt er es wenig später aus. Er legt dar, welche Schwierigkeiten es mit einem demokratischen System, wie dem der USA gibt. Eine derartige Regierung sei anfällig für Missbrauch einiger weniger, die ihren Willen durchsetzen und sie nur als Werkzeug benutzen. So ist er überzeugt davon, dass die Mehrheit des Volkes gegen den Mexikokrieg sei, weil er ungerecht und die USA in diesem Konflikt der Aggressor sei. Für ihn ist dieser Krieg ganz klar mit der Sklavenfrage verbunden und als überzeugter Abolitionist lehnt er ihn deshalb scharf ab. Es sei ganz klar, dass es in einem solchen System ungerechte Gesetze gäbe und jeder dazu aufgerufen wäre, gegen diese Widerstand zu leisten. Er schreibt, dass jeder Bürger bewusste Entscheidungen treffen und sich nicht vom System unterwerfen lassen solle. Die Regierung sei für das Volk da und nicht umgekehrt. Er plädiert dafür, Widerstand mit gewaltfreien Mitteln zu leisten. Er erzählt dort auch über seine Nacht im Gefängnis, wo er gelandet war, weil er sich geweigert hatte, Steuern zu bezahlen. Später werden sich Mahatma Gandhi und Martin Luther King jr. auf das Essay als wichtigen Einfluss auf ihren Kampf berufen. In seinen späteren Lebensjahren hält er Gewalt in bestimmten Situationen durchaus für gerechtfertigt, wie das Essay über John Brown zeigt.

A Plea for Captain John Brown

John Brown war ein radikaler Sklavereigegner. Im Oktober 1859 überfiel er mit 21 Männern das Waffendepot der US-Armee in Harpers Ferry und wollte von dort aus schwarze Sklaven für einen bewaffneten Kampf ausrüsten. Er wurde mit seinen Männern überwältigt und am 2. Dezember 1859 gehängt. Brown wurde allgemein in der amerikanischen Presse als Verrückter dargestellt und selbst viele Abolitionisten lehnten seine Aktion ab. Thoreau wandte sich in seinem Essay, das er auch als Rede hielt, gegen den allgemeinen Tenor und verteidigte Browns Handlungen leidenschaftlich. Er habe für eine gerechte Sache sogar sein Leben gegeben, und Thoreau vergleicht Brown mit Jesus Christus – der eine wurde von Pontius Pilatus als Feind gekreuzigt, der andere von der amerikanischen Regierung hingerichtet. Thoreau, der selbst überzeugter Abolitionist war, setzt John Brown hiermit ein Denkmal. Er verteidigt seine Aktion und macht deutlich, dass in manchen Situationen Waffengewalt gerechtfertigt ist, um gegen Ungerechtigkeit zu kämpfen.

Thoreau machte in seinem Werk deutlich, dass jeder Mensch ein selbstbestimmtes und bewusstes Leben führen solle, geltende Gesetze seien zu hinterfragen und wenn nötig, dagegen Widerstand zu leisten. Er ist somit kein klassischer Vertreter des Liberalismus, aber hat aufgezeigt, wie wichtig es ist, Haltung zu zeigen, um eine freie, gerechte Gesellschaft zu erhalten.

Literatur

Cramer, Jeffrey S., ed. Walden. A fully annotated edition. New Haven: Yale University Press, 2004.

Gullet, Charly, ed. Resistance to Civil Government. On Civil Disobedience and other Essays Annotated. Prescott: Warfield Press, 2010.

Turner, Jack, ed. A Political Companion to Henry David Thoreau. Lexington: The University Press of Kentucky, 2009.

Walls, Laura D. Henry David Thoreau: A Life. Chicago: The University of Chicago Press, 2017.

Empfehlenswerter Film

Schulman, Tom. Der Club der toten Dichter. DVD. Directed by Peter Weir. Touchstone, 2002.

Sebastian Callian

Sebastian Callian studiert Geschichte an der Universität Konstanz. Er ist Leiter des dortigen Hayek Clubs und Local Coordinator für die Students for Liberty. Zuvor schloss er ein Studium in Nordamerikastudien an der LMU München ab.