Freihandel

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Von Fabian Kurz

Die Überwindung des Merkantilismus

Der französische König Ludwig XIV. führte viele kostspielige Kriege, die einer Finanzierung bedurften. Der „Sonnenkönig“ hatte einen absoluten Machtanspruch. Dementsprechend wurde die gesamte Wirtschaft staatlich organisiert und reglementiert. Das oberste Ziel der staatlichen Obrigkeit war die Maximierung der Einnahmen. Zum einen, um die teure Hofhaltung und den Beamtenapparat zu finanzieren, und zum anderen, um die Kriegsfinanzierung sicherstellen zu können. Zu dieser Zeit war der Merkantilismus die vorherrschende Lehrmeinung der Ökonomik. Seinen Höhepunkt erreicht diese Theorie unter dem französischen Finanzminister Colbert, der von 1661 bis 1683 die Geschicke des französischen Fiskus bestimmte. Der zentrale Gedanke der Merkantilisten war, dass der Wohlstand der Nation auf der Anhäufung von Gold und Silber basiere. Je größer der nationale Schatz sei, je mehr Reichtum die fürstliche Schatzkammer beherberge, desto reicher sei das Land. Dementsprechend wurden Gold- und Silberabflüsse als schädlich erachtet und der Import von Edelmetallen als eine Wohlstandssteigerung. Wenn Waren ins Ausland verkauft wurden, sind diese in der Regel mit Gold und Silber bezahlt worden. Der Export von Gütern hatte also einen Import von Edelmetall zur Folge. Daher förderte man Exporte und schränkte Importe ein, um möglichst viel Edelmetall anzuhäufen. Dazu wurden vor allem bereits verarbeitete Güter mit Importzöllen belegt, da diese mit Gold bezahlt wurden. Der Import von Rohstoffen dagegen war erwünscht. Diese konnten weiterverarbeitet und die Endprodukte gegen Gold ins Ausland verkauft werden. Exporte wurden subventioniert, da sie zu dem erwünschten Zustrom von Gold führten.

Einer der schärfsten Gegner merkantilistischer Theorie wie Politik war der schottische Philosoph und Ökonom Adam Smith. Er lehnte sowohl das absolutistische Staatsverständnis der Merkantilisten ab, als auch ihre wirtschaftspolitischen Überlegungen. Für ihn stand das Individuum im Mittelpunkt und nicht kollektive Einheiten wie Länder oder Staaten. Wer, so fragte er, sind die treibenden Kräfte der merkantilistischen Ideen? „Ganz sicher waren es nicht die Konsumenten, denn deren Interessen hat man völlig vernachlässigt. Die wirtschaftspolitischen Eingriffe des Merkantilismus haben in ganz besonderem Maße die Interessen unserer Manufakturbesitzer geschützt. Ihnen ist nicht nur das Wohl des Verbrauchers, sondern weit mehr das Interesse anderer Gruppen von Produzenten geopfert worden.”  Smith versteht den Merkantilismus vor allem als ein Lobbyprogramm, welches bestimmten Produzenten zum Vorteil und den Konkurrenten und Konsumenten zum Nachteil gereicht.

Der Wohlstand der Nationen

Im Jahr 1776 erscheint Smiths Buch „Der Wohlstand der Nationen“. Gleich im ersten Kapitel widmet sich Smith sehr ausführlich dem Prinzip der Arbeitsteilung. Allein die Arbeitsteilung sei imstande die produktiven Kräfte der Arbeit „… mehr als alles andere zu fördern und zu verbessern.“  Um arbeitsteilig produzieren zu können, ist ein hohes Maß menschlicher Kooperation nötig. Menschen stellen gemeinsam Waren her, obwohl sie sich nicht kennen. Sie tauschen diese mit anderen Menschen, die sie noch weniger kennen. In einer reinen Tauschwirtschaft ist ein hoher Grad an Spezialisierung nicht möglich. Für die arbeitsteilige Wirtschaft ist ein anerkanntes Zahlungsmittel notwendig, mit welchem die Transaktionen durchgeführt werden können.

Smith sieht die Ursache für die zunehmende Spezialisierung und damit für Handel in der natürlichen Neigung des Menschen, zu handeln und Dinge miteinander zu tauschen. Menschen seien immer auf Hilfe angewiesen. Dabei sei jedoch keiner gerne von anderen abhängig. So kommt es zum Tausch: „Gib mir was ich wünsche, und du bekommst was du benötigst.“  Menschen werden sich nur spezialisieren, wenn sie davon ausgehen, dass sie die Überschüsse, die über den Eigenbedarf hinausgehen, gegen andere Waren und Dienstleistungen eintauschen können. Die Grenzen der Arbeitsteilung liegen somit in der Größe des Marktes. Je größer der potentielle Markt, desto mehr Spezialisierung ist möglich. Je größer der Markt, desto mehr Menschen können miteinander kooperieren, und die Produktion kann in immer kleinteiligere Schritte unterteilt werden. Diese immer präzisere Spezialisierung ist ein Motor des Wachstums und Fortschritts.

Das Prinzip der Arbeitsteilung und die Bedeutung der Größe des Marktes verbindet Smith zum Konzept des absoluten Kostenvorteils: Einige Menschen können gewisse Dinge besser als andere. Es hat sich herausgestellt, dass auch in manchen Regionen gewisse Waren und Dienstleistungen besser her- und bereitgestellt werden können als in anderen. Smith argumentiert, dass sich die Menschen eines Landes auf die Produktion der Produkte spezialisieren, in welchen sie einen Kostenvorteil gegenüber anderen Ländern haben. Durch den Austausch und Handel der Güter, können die Konsumenten in beiden Ländern von den niedrigeren Kosten (und damit niedrigeren Preisen) profitieren. Außerdem kann durch die zusätzliche Spezialisierung deutlich mehr produziert werden.

David Ricardo und der komparative Vorteil

David Ricardo entwickelte die Ideen Smiths entscheidend weiter. Smith argumentierte, dass sich Länder auf die Produktion derjenigen Waren konzentrieren sollten, in welchen sie einen absoluten Kostenvorteil haben. Ricardo zeigt, dass auch Länder, die in der Produktion von allen Gütern teurer sind als ihre Handelspartner, vom Handel profitieren können. Die zugrundeliegende Idee wird als komparativer Vorteil bezeichnet. Ricardo beschreibt dies als „Prinzip, das dazu führt, dass Wein in Frankreich und Portugal produziert wird, Getreide in Amerika und Polen angebaut wird und Maschinen und ähnliche Waren in England hergestellt werden. ”

Wenn sich ein Land auf die Produktion eines bestimmten Gutes spezialisiert, verzichtet es auf die Spezialisierung auf ein anderes Gut. Ein Land hat einen komparativen Vorteil in der Produktion eines Gutes, wenn die Opportunitätskosten der Produktion geringer sind als die des anderen Landes. Portugal kann sowohl Tuch, als auch Wein günstiger (mit weniger Arbeitskräften) herstellen als England. Der Unterschied resultiert aus der Annahme, dass beide Länder sich in der Arbeitsproduktivität unterscheiden. Wenn England weniger Rollen Tuch aufgeben muss, um ein Fass Wein zu produzieren als Portugal, besitzt England einen komparativen Vorteil in der Produktion von Tuch, da es geringere Opportunitätskosten in der Produktion von Tuch hat. Ricardo schlussfolgert: „In einem System vollkommen freien Handels setzt jedes Land ganz von selbst sein Kapital und seine Arbeit für solche Tätigkeiten ein, die für alle am meisten Nutzen bringen.“ Aus der Idee des komparativen Vorteils folgt, dass Länder diejenigen Güter exportieren werden, welche sie relativ effizient herstellen können und diejenigen Güter importieren, deren Produktion relativ ineffizient wäre. Effizient bedeutet, dass mit einem gegebenen Einsatz von Produktionsmitteln ein Maximum an Gütern produziert wird, beziehungsweise eine gegebene Anzahl von Gütern mit dem geringsten Aufwand produziert werden. In anderen Worten: Effiziente Produktion verschwendet keine Ressourcen. Handel bietet den Menschen die Möglichkeit, sich gemäß ihrem komparativen Vorteil zu spezialisieren. Die gesamten Opportunitätskosten werden dadurch minimiert, weniger Ressourcen verschwendet und die produzierte Menge vergrößert sich, die nun zum Handeln zur Verfügung steht.

Die Terms of Trade

Für den internationalen Handel gilt: je höher die Preise der verkauften Güter (Exporte) und je niedriger die Kosten für die Einkäufe (Importe), desto besser. Wir kennen das aus unserem alltäglichen Leben: Wir freuen uns schließlich auch über einen hohen Stundenlohn und über möglichst niedrige Preise für die Waren und Dienstleistungen, die wir jeden Tag einkaufen.  Das reale Tauschverhältnis wird als „Terms of Trade“ bezeichnet: Wie viele Waren bekommt man im Gegenzug für den Verkauf der eigenen Waren ins Ausland? Diese Frage beantworten die Terms of Trade. Offensichtlich hängt die Vorteilhaftigkeit des Handels von den Preisen der Exporte und Importe ab. Der Preis des Exportgutes wird durch den Preis des Importgutes geteilt und dieser Quotient ergibt die Terms of Trade. Wenn die Preise für das Exportgut steigen, steigt auch der Quotient und die Terms of Trade verbessern sich. Ein Anstieg der Importpreise dagegen verkleinert den Quotienten, und der Wohlfahrtsgewinn aus dem Handel verringert sich. Im schlimmsten Fall kann der Wohlfahrtsgewinn auf Null sinken, was einer Rückkehr zum Zustand ohne Handel entspräche. Handel ist daher immer besser als kein Handel.

Handelspolitik in Form von Importzöllen und Exportsubventionen verändert die Terms of Trade. Oft werden sie nicht mit der Intention eingeführt, die Terms of Trade zu verbessern, sondern die Einführung ist durch Einkommensumverteilung oder durch Protektionismus von heimischer Industrie motiviert, wie schon Smith erkannt hatte. Importzölle und Exportsubventionen treiben eine Art Keil zwischen den Preis im Inland und den Preis im Ausland. Die Terms of Trade sind abhängig von den Preisen an den Außengrenzen und nicht von den Preisen im Inland, da für den Handel immer nur die jeweiligen Preise relevant sind, mit denen die ausländischen Kunden konfrontiert werden, da sie von diesen Preisen ihre Nachfrage abhängig machen. Was wäre der Effekt, wenn ein Land, das Nettoimporteur von Weizen und Nettoexporteur von Computern ist, einen Importzoll auf Weizen verlangte? Die inländischen Konsumenten wären mit höheren Preisen konfrontiert und würden ihren Konsum einschränken. Die inländischen Produzenten würden dagegen ihr Angebot ausweiten. Damit verändert sich die Nachfrage nach Weizen aus dem Inland. Der Außenpreis der ausländischen Produzenten müsste sinken, da die gesamte Nachfrage der Inländer nach Weizen durch den Zoll sinkt. Ein sinkender Preis für Importe verbessert die Terms of Trade. Ob nun Importzölle und Exportsubventionen die Terms of Trade verbessern, hängt von dem relativen Anteil der Ex-/Importe eines Gutes am Gesamthandel des Gutes ab. Je größer der Anteil der eigenen Importe an dem Gesamthandel des Gutes, desto mehr Einfluss haben die Maßnahmen auf den Preis und damit auf das reale Tauschverhältnis. Ein kleines Land wie Liechtenstein wird kaum eine Änderung der Gesamtnachfrage nach Weizen bewirken können, wenn es einen Zoll einführt. Wenn dagegen die USA einen Zoll auf Weizen einführt, hätte es einen großen Einfluss auf die relative Nachfrage und damit auf den Preis. Je größer ein Land ist, desto mehr könnte es durch die Einführung von Zöllen profitieren, da seine Terms of Trade sich verbessern.

Ähnliche Überlegungen lassen sich für Exportsubventionen anstellen. Sie führen dazu, dass das relative Angebot auf dem Weltmarkt ausgeweitet wird und damit die Preise für die Exporte sinken. Dies ist schlecht für die Terms of Trade, da sich bei gleichbleibenden Importpreisen aber fallenden Exportpreisen das reale Austauschverhältnis verschlechtert. Auch hier gilt, dass die Größe des Landes entscheidend ist. Je größer das Land, desto größer ist der negative Preiseffekt. Festhalten lässt sich: Zölle können die Terms of Trade verbessern, Subventionen können sie verschlechtern. Das Ausmaß der Verbesserung bzw. Verschlechterung der Terms of Trade hängt von der Größe des Landes ab. Es ist offensichtlich, dass eine Exportsubvention niemals im „Interesse des eigenen Landes” seien kann. Sie verschlechtert die Terms of Trade und von den niedrigeren Preisen profitiert nur das Ausland. Aber auch Importzölle sind mit Vorsicht zu genießen.

Erstens führt der Zoll zu verbesserten Terms of Trade auf Kosten der übrigen Welt. Allerdings ist der Wohlfahrtseffekt im Land selber auch nicht ganz so eindeutig. Die inländischen Produzenten gewinnen, da sie nun weniger Konkurrenz haben und zu höheren Preisen eine größere Menge verkaufen können. Die inländischen Konsumenten dagegen verlieren gleich an zwei Fronten. Sie müssen höhere Preise zahlen und konsumieren weniger Waren und Dienstleistungen, da sie nun teurer geworden sind. Diese weder produzierten noch gehandelten oder konsumierten Güter stellen den Wohlfahrtsverlust der Gesellschaft dar. Je höher der Zoll, desto höher ist der Verlust.

Zweitens könnte die Einführung von Importzöllen eine Gegenreaktion des Auslands zur Folge haben. Ein Zoll des Auslands auf die eigenen Exporte würde die Terms of Trade verschlechtern. Wer also mit Hilfe der Terms of Trade für die Einführung von Zöllen argumentiert, nimmt an, dass die Einführung keine Gegenreaktion zur Folge hat. Die Terms of Trade verdeutlichen sehr gut, dass jeder individuell den Anreiz haben kann, Zölle einzuführen. Das führt freilich zu einer Art Gefangenendilemma. In der Handelspolitik besteht immer die Gefahr, dass alle Länder die „egoistische“ Strategie wählen und Zölle erheben, denn es lockt die Verbesserung der Terms of Trade. Wenn alle diese Strategie verfolgen, führt es allerdings dazu, dass damit niemand einen Vorteil durch verbesserte Terms of Trade genießt, aber alle entsprechende Wohlfahrtsverluste hinnehmen müssen, die aus den nichtgehandelten Waren und Dienstleistungen resultieren. Handelsabkommen können einen Weg darstellen, dem individuellen Anreiz zum Erheben von Zöllen zu begegnen.

Internationale Kooperation ist wünschenswert

Den Wettstreit der ökonomischen Theorien der Vergangenheit und Gegenwart hat der Freihandel stets für sich gewonnen. Freiwillige Kooperation von Menschen über Landesgrenzen hinweg gereicht den Beteiligten zum Vorteil, denn Handel ist kein Nullsummenspiel, bei dem der eine gewinnt was der andere verliert. Wäre es nicht für die beteiligten Parteien von Vorteil, würden sie den Handel nicht eingehen. Ricardo hat gezeigt, dass selbst Menschen, die anderen Menschen in jeder Hinsicht unterlegen sind, einen komparativen Vorteil haben und von Spezialisierung und Tausch profitieren können. Dies ist die wohl wichtigste Botschaft: Gerade die Ärmsten der Welt können von einer verstärkten Kooperation mit dem Rest der Welt profitieren.

Literatur

Freihandel – für eine gerechtere Welt, hrsg. v. Frank Schäffler, Clemens Schneider, Florian A. Hartjen, Björn Urbansky, München 2018.

Krugman, Paul R./Obstfeld, Maurice, Internationale Wirtschaft: Theorie und Politik der Außenwirtschaft. München, 2009.

Mankiw, N. Gregory/ Taylor, Mark P., Grundzüge der Volkswirtschaftslehre, Stuttgart, 2008.

Ricardo, David, The Principles of Political Economy and Taxation, 1817.

Smith, Adam, Der Wohlstand der Nationen: eine Untersuchung seiner Natur und seiner Ursachen. München, 2003.

Fabian Kurz

Fabian Kurz ist Doktorand der Volkswirtschaftslehre und Research Fellow at the Institute for Research in Economic and Fiscal Issues. Er hat in Mannheim und Leipzig Volkswirtschaftslehre studiert.