Familienunternehmen
Von Justus Lenz
Familienunternehmen
Familienunternehmen sind Unternehmen, die im (mehrheitlichen) Besitz von einem oder mehreren Familienmitgliedern sind. Sie werden zudem von einem oder von mehreren Familienmitgliedern operativ geführt (eigentümergeführte Unternehmen), oder die Familie ist in der strategischen Aufsicht aktiv (familienkontrollierte Unternehmen). Familienunternehmen können in unterschiedlichen Rechtsformen organisiert sein, beispielsweise als Kommanditgesellschaft (KG), Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) oder als Aktiengesellschaft (AG). Unabhängig von der Rechtsform sind sie durch eine Einheit von Risiko und Haftung geprägt. Zur formalen Abgrenzung des Familienunternehmertums gibt es unterschiedliche Definitionen, beispielsweise vom IfM Bonn, vom Wittener Institut für Familienunternehmen sowie von DIE FAMILIENUNTERNEHMER.
Volkswirtschaftliche Bedeutung
Die unterschiedlichen Definitionen von Familienunternehmen erschweren statistische Aussagen zum Gegenstand. Die folgenden Daten aus dem Mannheimer Unternehmenspanel des ZEW von 2014 geben gute Näherungswerte wieder, wobei andere Quellen abweichende Zahlen nennen können. Familienunternehmen stellen laut ZEW 91 Prozent aller Unternehmen, sie beschäftigen 56 Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten (ohne öffentliche Unternehmen) und haben einen Anteil am Gesamtumsatz von 48 Prozent (ebenfalls ohne öffentliche Unternehmen). Die größten 500 deutschen Familienunternehmen hatten laut Mannheimer Institut für Mittelstandsforschung 2012 weltweit 4,63 Millionen Beschäftigte und einen Gesamtumsatz von einer Billion Euro. Die Zahl ihrer Beschäftigten in Deutschland lag 2012 bei 3,62 Millionen.
Das Familienunternehmermodell
Familienunternehmen werden teilweise schon seit mehreren Generationen fortgeführt. Viele Unternehmen befinden sich aber auch noch in der ersten oder zweiten Generation. Laut einer Umfrage unter den Mitgliedern von „Die Familienunternehmer“ befinden sich 40 Prozent der Mitgliedsunternehmen in der vierten Generation oder darüber. Rund 10 Prozent der Unternehmen befinden sich noch in der ersten, rund 20 Prozent in der zweiten und ungefähr 30 Prozent in der dritten Generation.
Aber auch bei den jüngeren Familienunternehmen gibt es einen starken Wunsch der Eigentümer, das Familienunternehmen langfristig aufzubauen und an die nachfolgende Generation weiterzugeben. Neben den strukturellen Gemeinsamkeiten (Familienbesitz und Familienführung) stellt diese langfristige Ausrichtung auf ein generationenübergreifendes nachhaltiges Wirtschaften eine gemeinsame Überzeugung der meisten Familienunternehmer da. Sie teilen zudem ein Gefühl der persönlichen Verantwortung für ihr Unternehmen, ihre Mitarbeiter und ihr soziales Umfeld und leben die Einheit von Risiko und Haftung für ihre wirtschaftlichen Entscheidungen. Diese Grundüberzeugungen bilden zusammen mit den strukturellen Merkmalen das Familienunternehmer-Modell, das sich besonders in Deutschland erfolgreich entwickelt hat.
Politische Perspektive
In der deutschen und europäischen Politik wird in Sonntagsreden häufig der Mittelstand gelobt, in einer mehr oder weniger expliziten Abgrenzung zu größeren Unternehmen („Konzernen“). Teil dieser Abgrenzung ist meist eine Zuschreibung von positiven Adjektiven wie „verantwortlich“, „nachhaltig“ und „langfristig orientiert“ für mittelständische Unternehmen. Konzerne werden dagegen eher mit negativ besetzen Eigenschaften wie „verantwortungslos“, „kurzfristig-denkend“ oder „rücksichtslos“ bedacht. Diese schlichte Gegenüberstellung ist inhaltlich ohnehin fragwürdig – sind Großkonzerne wirklich per se „böse“? Sie scheint häufig eher ein Deckmantel für eine wirtschaftsfeindliche Haltung zu sein, indem ein guter Teil der Wirtschaft zu bösen Großkonzern wird. Die Dichotomie Mittelstand vs. Konzern lässt zudem die Eigentümerstruktur außer Acht. Familienunternehmen sind zwar häufig kleinere und mittlere Unternehmen und bilden somit den Kern des Mittelstands. Zu ihnen gehören jedoch auch größere Unternehmen bis hin zu Weltkonzernen wie beispielsweise Henkel, Trumpf oder Haniel.
Auch für diese großen Familienunternehmen gilt, dass sie (mehrheitlich) im Besitz eines – gegenüber großen Aktiengesellschaften – überschaubaren Kreises von Familienangehörigen sind. Als Eigentümer bilden Familienunternehmer damit eine wichtige ideelle und politische Stütze der sozialen Marktwirtschaft und Bürgergesellschaft. Sie stehen für die Einheit von Risiko und Haftung und für die positive Wirkung von Eigentum. Zudem fühlen sich die meisten Familienunternehmer ihrer Region verbunden und tragen so zur wirtschaftlichen Stabilität auch abseits großer Zentren bei. Dies lässt sich auch an der großen Zahl von Hidden Champions ablesen, die aus dem ländlichen Raum kommen. Diese „heimlichen“ Weltmarktführer sind größtenteils kleinere bis mittelgroße Familienunternehmen, die in einem Marktsegment äußerst erfolgreich sind. Solche Hidden Champions finden sich in vielen Ländern. In Deutschland und auch in Österreich und der Schweiz sind sie jedoch überdurchschnittlich vertreten (siehe beispielsweise Hidden Champions des 21. Jahrhunderts).
Literatur
Berghoff, Hartmut, Moderne Unternehmensgeschichte. Eine themen- und theorieorientierte Einführung, Walter de Gruyter, Berlin / Boston, 2016.
Baus, Kirsten, Die Familienstrategie: Wie Familien ihr Unternehmen über Generationen sichern, Springer Gabler Verlag, 4. Auflage, Wiesbaden 2013.
Calabró, Andrea / Rüsen, Tom / Bartels, Peter, Wachstumsmuster und Internationalisierung deutscher Familienunternehmen und Unternehmerfamilien, PWC, Frankfurt 2014: https://www.unternehmeredition.de/wp-content/uploads/sites/4/2014/02/PwC_Studie_Wachstumsmuster_in_FU_2014.pdf
Halder, Annika, Innovationsfähigkeit und Entrepreneurial Orientation in Familienunternehmen: Der Familieneinfluss und die Rolle des Familienunternehmers, Springer Fachmedien, Wiesbaden 2016.
James, Harold, Familienunternehmen in Europa: Haniel, Wendel und Falck, Beck Juristischer Verlag, München 2005.
Simon, Hermann, Hidden Champions des 21. Jahrhunderts: Die Erfolgsstrategien unbekannter Weltmarktführer, Campus Verlag, Frankfurt am Main 2007.