Epikureismus

John William Waterhouse Wikimedia Commons (CC0)

Von Roderick T. Long mit freundlicher Genehmigung von libertarianism.org

Der Epikureismus bezieht sich auf eine philosophische Bewegung des antiken Griechenland und Rom. Diese Bewegung stützte sich auf die Lehren des Athener Philosophen Epikur (341-271 v. Chr.), der eine atomistische Lehre, eine hedonistische Ethik und eine Theorie eines Gesellschaftsvertrages vorlegte. Epikur war ein produktiver Schriftsteller, dessen gesammelte Schriften an die 300 Bände umfassen sollen. Fast alle seine Schriften sind jedoch verloren gegangen und müssen aus Berichten anderer Klassiker wie Cicero und Lucretius rekonstruiert werden.

Im Hinblick auf die Naturwissenschaften verteidigten die Epikureer eine empirische Methodik, in der alle Appelle an übernatürliche Ursachen oder göttliche Eingriffe zugunsten von Erklärungen, die sich auf die Wechselwirkungen von Atomteilchen berufen, entschieden zurückgewiesen wurden. Trotz dieses scheinbar materialistischen Ansatzes bekräftigten die Epikureer die menschliche Autonomie, indem sie argumentierten, dass diejenigen, die rein mechanistische Darstellungen menschlichen Handelns annahmen, sich selbst implizit durch den Akt der freien und gezielten Durchsetzung ihres Standpunktes widerlegten.

In der Ethik verankerten die Epikureer das Vergnügen als höchsten Wert, betrachteten aber die Freuden der inneren Ruhe und die Freiheit von seelischen Unruhen als weitaus wichtiger als nur körperliche Freuden; sie forderten den Verzicht auf überflüssige Annehmlichkeiten und forderten die Menschen auf, sich mit bescheidenem materiellen Reichtum zufrieden zu geben. Weil der Mensch einerseits aufhörte zu existieren, sobald seine Atome verstreut waren, und da es andererseits kein Überleben des Geistes jenseits des Todes gab, war der Tod nicht zu fürchten, denn nur den Schmerz müsse man fürchten — der Tod sei aber ja das Ende aller Erfahrung und somit schmerzlos. In der Zwischenzeit rieten die Epikureer jedoch, sich aus der Politik und dem öffentlichen Leben zurückzuziehen, um die privaten Ziele der Freundschaft und der philosophischen Diskussion zu verfolgen.

Die epikureische Sozialtheorie nahm viele Schlussfolgerungen vorweg, die später den Klassischen Liberalismus kennzeichneten. Sie waren kompromisslose Verteidiger der spontanen Ordnung, sowohl im sozialen als auch im physischen Bereich. So wie die Epikureer eine rudimentäre Theorie der natürlichen Selektion entwickelten, um die scheinbare Teleologie natürlicher Phänomene zu erklären, ohne sich auf einen göttlichen Gestalter zu berufen, versuchten sie, die Entstehung nützlicher sozialer Institutionen zu erklären, ohne weise prähistorische Gesetzgeber vorauszusetzen. Um es in der modernen Terminologie auszudrücken: für sie waren solche Institutionen das Ergebnis menschlichen Handelns, nicht aber des menschlichen Designs. Zum Beispiel argumentierten die Epikureer, dass Sprache nicht die bewusste Erfindung von irgendjemandem gewesen sein könne, denn wer auch immer sie erfunden habe, hätte keine Möglichkeit gehabt, seine Erfindung an andere weiterzugeben. Stattdessen muss sich die Sprache aus der allmählichen Verfeinerung der natürlichen Rufe und Gesten entwickelt haben

Epikureer gehörten auch zu den Pionieren der Vertragstheorie. Gegen den Mainstream der alten Ethik behaupteten die Epikureer, dass moralische Tugend nicht um ihrer selbst willen wertvoll sei, sondern als strategisches Mittel, mit dem jeder Einzelne sein eigenes Glück sichern könne. Gerechtigkeit entstand, da eine solche Vereinbarung für alle Individuen, die rationale Egoisten sind, vorteilhaft ist, einander nicht zu schaden. Diejenigen, die den Nutzen aus einem solchen Vertrag deutlich sahen, waren motiviert, sich daran zu halten, ohne dass es einer zusätzlichen Strafandrohung bedurfte. Tatsächlich erwarteten einige epikureische Schriftsteller mit Freude auf den Tag, an dem aufgeklärtes Eigeninteresse so weit verbreitet sein würde, dass Gesetze, militärische Verteidigung und andere Mittel der Ausübung von Zwang nicht mehr notwendig wären.

Die Epikureer wurden von ihren Zeitgenossen dafür kritisiert, dass sie eine rein instrumentale Haltung gegenüber anderen Menschen einnahmen, aber sie leugneten diese Beschuldigung und bestanden darauf, dass es für uns rational sei, uns um der anderen willen zu kümmern, denn nur wenn wir eine solche Haltung in uns selbst kultivieren, würden wir auf lange Sicht die größte Freude erreichen.

Unter den klassisch liberalen Denkern, die den Epikureismus als eine wichtige Quelle der Inspiration nennen, sind David Hume, Thomas Jefferson und John Stuart Mill.

Weiterführende Literatur

Long, A. A., and Sedley, D. N. The Hellenistic Philosophers: Volume I. Translations of the Principal Sources with Philosophical Commentary. Cambridge: Cambridge University Press, 1987.

Mitsis, Phillip. Epicurus’ Ethical Theory: The Pleasures of Invulnerability. Ithaca, NY: Cornell University Press, 1988.

Nichols, James H. Epicurean Political Philosophy: The De Rerum Natura of Lucretius. Ithaca, NY: Cornell University Press, 1976.

Carl-Friedrich Geyer. Epikur zur Einführung. 3., unveränderte Auflage. Hamburg: Junius 2015.


Roderick T. Long

Prof. Roderick T. Long ist Professor für Philosophie an der Auburn University. Außerdem ist er Präsident des Molinari Institute und Co-Redakteur des Journal of Ayn Rand Studies. Er studierte in Harvard und promovierte an der Cornell University.