Bolívar, Símon

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Von Juan D. Estevez

Simón José Antonio de la Santísima Trinidad Bolívar Palacios Ponte y Blanco, bekannt als Simón Bolivar, war der führende Unabhängigkeitskämpfer in mehreren Ländern Südamerikas – den heutigen Staaten Ecuador, Kolumbien, Panama, Peru, Venezuela und dem nach ihm benannten Bolivien. Bolivar studierte in Europa, wo er verschiedene liberale Denker kennenlernte, die ihn motivierten, seine Heimat von der spanischen Krone zu befreien.

Bolivar startete seine Kampagne mit der Idee, einen liberalen Republikanismus einzuführen. Die Schwierigkeiten, die er auf dem Schlachtfeld und in der Politik erlebte, zwangen ihn jedoch, seine idealistischen Positionen aufzugeben. Nach dem Sieg über Spanien schwang er sich zum Diktator über neu befreiten Länder auf. Bolivar starb verbittert auf dem Weg ins Exil und von den Massen gehasst.

Kindheit und Jugend

Bolivar stammte aus einer aristokratischen Familie in Venezuela. Als er nur drei Jahre alt war, starb sein Vater, und sieben Jahre später verschied ebenfalls seine Mutter. Der Gelehrte Simón Rodriguez wurde sein Tutor; er brachte Bolivar die Ideen der europäischen Aufklärung nahe. Dank Rodriguez wurde Bolivar vertraut mit der Arbeit von Voltaire, Locke, Rousseau und Montesquieu, wobei er die letzten beide häufig in seinen Schriften zitierte.

Mit 16 Jahren reiste der junge Bolivar nach Spanien, wo er zwei Jahren studierte. Während seines Studiums lernte er eine junge Spanierin kennen und heiratete sie. Nach nur acht Monaten Ehe starb sie auf dem Weg zurück nach Venezuela.

Rückkehr nach Europa

Nach dem Tod seiner Frau entschloss sich Bolivar 1804, wieder nach Europa zu reisen. In Paris erlebte er die Krönung von Napoleon, und beobachtete, wie eines seiner großen Vorbilder zum Despoten wurde.

Während seines Aufenthalts traf Bolivar mehrere Intellektuelle, unter anderem Alexander von Humboldt, der sich nach seiner Forschungsreise nach Südamerika wieder in Europa aufhielt. Die beiden trafen sich mehrmals in Paris; Humboldt gab Bolivar nicht nur Ratschläge über das Entwicklungspotential von Südamerika, sondern er motivierte Bolivar, selbst in seinem Land Verantwortung zu übernehmen. Der Intellekt und Führungsstil von Bolivar beindruckte Humboldt, vor allem wegen des jungen Alters des Venezolaners. Beide hielten eine enge Freundschaft über die Jahre hinweg aufrecht und tauschten regelmäßig Briefe aus.

Während dieser Zeit entwickelte Bolivar seine politischen Ideen weiter und las unter anderen Hobbes, Spinoza und Hume. Er soll während seiner Reise eine Kopie von „The Wealth of Nations“ von Adam Smith dabeigehabt haben.  Ein weiterer Denker, der Bolivar prägte, war Bartolomé de las Casas, so sehr, dass Bolivar später in seiner Carta de Jamaica vorschlug, die Hauptstadt von Gran Colombia nach ihm zu benennen.

Die Erste Republik

Im Jahr 1808 marschierte Napoleon nach Spanien und setze seinen Bruder auf den Thron. Dies schwächte die Macht von Spanien über die Kolonien. Aufstände brachen aus. Bolivar betrachtete dies als eine Chance, Südamerika zu befreien.

1809 reiste Bolivar zurück nach Venezuela. Auf dem Weg besuchte er die Vereinigten Staaten, wo er sich über deren Revolution informierte. Bolivar identifizierte sich mit den Prinzipien und Grundideen seiner amerikanischen Nachbaren. Nur in einem Thema fand er keine Zustimmung: Sklaverei. Bolivar war ein inbrünstiger Gegner der Sklaverei.

Nach all diesen Erlebnissen entwickelte Bolivar ein eigenes politisches Konzept: Für ihn müssen Staaten, die zu groß sind oder durch ihre Kolonien zu groß wurden, zwangsläufig untergehen. Ein Reich müsse ständig neue Länder kolonisieren, Königreichen seien expansionistisch. Dies führe zu einer Tyrannei, in der Grundprinzipien des Rechts missachtet werden und wo es zu Despotismus komme. Im Gegensatz dazu seien kleine föderale Republiken stabiler, sie hätten keinen Grund, ihre Grenzen zu erweitern, und somit könnten sie Stabilität und Gerechtigkeit für ihre Einwohner sichern. Sklaverei, so Bolivar, müsse abgeschafft werden, und Religion solle bei politischen Institutionen keinen Einfluss haben.

In April 1810 erklärte Venezuela seine Unabhängigkeit. Bolivar, noch fern von wichtigen politischen Positionen, konnte sich eine Stelle als Botschafter in Großbritannien sichern. In London lernte er James Mill und Jeremy Bentham kennen, durch seinen Landsmann Francisco de Miranda, einen der führenden Männer in den lateinamerikanischen Befreiungsbewegungen, der 1812 kurzzeitig die Macht in Venezuela übernommen hatte.

Die schwache Führung von Miranda ermöglichte es den pro-spanischen Truppen sich zu organisieren, wodurch er die Kontrolle über verschiedene Städte verlor. 1812 erschütterte Venezuela ein Erdbeben, währenddessen verlor Miranda das Vertrauen des Volkes, das sich gegen die Republik wandte. Aufständen brachen wieder aus. Ein Jahr nach dem Erbeben kam das Ende der Ersten Republik. Bolivar musste nach Cartagena fliehen.

Carta de Cartagena und die Zweite Republik

Während seines Exils schrieb Bolivar das Manifest von Cartagena, worin er analysierte, warum die Erste Republik gescheitert war. Er entfernt sich von seinen ursprünglichen, föderalistischen Gedanken und machte die Abwesenheit eines starken Staates für das Scheitern der Republik verantwortlich. Das Erbeben, die schwachen Truppen, die schlechte Verwaltung der öffentlichen Einnahmen und die Distanzierung von katholischen Werten trugen aus seiner Sicht letztendlich zum Scheitern der Republik bei.

Im Winter 1812 fand Bolivar genug Unterstützung in Cartagena und machte sich nun wieder auf den Weg zum Schlachtfeld; die Feldzüge, an die bis heute als Campaña Admirable – bewunderungswürdiger Feldzug – erinnert wird, legten die Grundsteine für die Zweite Republik und machten Bolivar zum Führer des Unabhängigkeitskampfes.

Nur drei Jahre später musste Bolivar nach Jamaika fliehen. Ein Jahr hatten die pro-spanische Truppen unter der Führung von José Tomás Boves auf brutale Weise die Macht in Venezuela übernommen und nur zwei Jahre nach der Ersten scheiterte auch die Zweite Republik.

Carta de Jamaica und die Befreiung

Wieder im Exil schrieb Bolivar einen ausführlichen Brief an den Briten Henry Cullen; in diesem bekräftigt er seinen Wunsch, Südamerika zu befreien, denn unter spanische Führung sei es den Kolonien nicht möglich, sich zu entwickeln. Bolivar kritisierte scharf die wirtschaftlichen Hürden, die die spanische Krone in den Kolonien schuf. Handel zwischen den Kolonien war nicht erlaubt, und auch der Außenhandel war sehr eingeschränkt. In dem Brief bat er Großbritannien unddie Vereinigten Staaten um Hilfe. Laut Bolivar würden beide Länder mit dem Handel gewinnen, wenn die Kolonien frei wären.

Seine Skepsis gegenüber einem föderalen System wuchs; er glaubte nicht, dass Südamerika dem Vorbild der USA folgen könnte. Bolivar war der Meinung, dass nach so vielen Jahren spanischer Besatzung das südamerikanische Volk nicht reif genug sei für eine föderale Republik, und es nötig wäre, einen starken Führer an der Macht zu haben. Bolivar bevorzugte eine Verfassung, die das einfache Volk von der Macht fernhält, er empfahl, einen Präsidenten auf Lebenszeit einzuführen.

In Jamaika nahm Bolivar Kontakt mit Alexandre Pétion, dem Präsidenten von Haiti, auf. Nach langen Gesprächen entschied sich Pétion, die neue Kampagne von Bolivar finanziell zu unterstützen. Dafür musste Bolivar ihm versprechen, alle Sklaven in den Kolonien zu befreien; Bolivar stimmte dem zu.

Durch überraschende Feldzüge, erst über Bogota und dann Caracas, konnten Bolivar und seine Truppen schlussendlich die pro-spanischen Truppen besiegen. In nur vier Tagen übernahm er die Kontrolle von Nueva Granada, dem späteren Gran Colombia. Bolivar machte sich zum Diktator der neuen Republik. Am 24. Juni 1821 gewannen seine Truppen die Carabobo-Schlacht womit sie, diesmal für immer, Venezuela von der spanischen Krone befreiten. Venezuela trat Gran Colombia bei und zusammen formten beide einen Staat.

Die letzten Jahren

In den nächsten Jahren wurden andere Provinzen von der spanischen Herrschaft befreit: 1822 Ecuador, 1824 Peru und Alto Peru – heute Bolivien. Ecuador trat auch Gran Colombia bei, Peru ernannte Bolivar zum Diktator. Während dieser Zeit war Bolivar überzeugt, dass Diktatoren ihre Nachfolger wählen sollten, um so Wahlen zu vermeiden, die nur Instabilität in der Republik hervorrufen würden. Die Ideen, die der junge Bolivar einmal vertreten hatte, waren Geschichte. Jetzt bevorzugte Bolivar mit Gran Colombia eine expansionistische, imperialistische Politik. Regierungsoffiziere mussten von der Zentralregierung ernannt werden.

Bolivar war sich sicher, zu wissen, was das Beste für die neuen Republiken ist, und übernahm die Präsidentschaften von verschieden Regionen gleichzeitig. Er unterdrückte alle Reformbemühungen. Die Wirtschaft konnte nicht blühen und verschiedene Gruppen suchten die Sezession von Gran Colombia.

Bolivar hielt an der Macht so stark fest – wobei er die liberalen Prinzipien ignorierte –, dass er im Volk unbeliebt wurde, bis hin zu einem Attentatsversuch im Jahr 1828. Venezuela verabschiedete ein Dekret, in welchem Bolivar verboten wurde, das Land zu betreten, sowie sein Vermögen beschlagnahmt wurde. Venezuela verließ bald darauf Gran Colombia.

Bolivar entschied sich, Bogota zu verlassen, und ins Exil zu gehen. Während seiner Reise, erfuhr er, dass sein Freund und Mitstreiter Antonio José de Sucre ermordetet wurde und dass auch Ecuador Gran Colombia verließ. Sein Traum von einer geeinigten südamerikanischen Republik war endgültig zerplatzt. Gehasst, arm, und deprimiert starb Bolivar an Tuberkulose in 1830 in Santa Marta an der Küste.

Literatur:

Bolivar, Simon (1812): The Cartagena Manifiesto: Memorial Addressed to the Citizens of New Granada by a Citizen from Caracas. In: David Bushnell (Hrsg): El Libertador, Writings of Simon Bolivar. Oxford: Oxford University Press, S. 3-11.

Bolivar, Simon (1815): The Jamaica Letter from A South American to a Gentleman from this Island. In: David Bushnell (Hrsg): El Libertador, Writings of Simon Bolivar. Oxford: Oxford University Press, S. 12-30.

Brann, E. R./Rippy, Fred J. (1947): Alexander von Humboldt and Simon Bolivar. In: The American Historical Review. Vol 52, No. 4. Oxford: Oxford University Press, S. 697-703.

Lynch, John (2006): Simon Bolivar, A Life. New Haven, London: Yale University Press.

Lynch, John (1983): Simon Bolivar and the Age of Revolution. London: Institute of Latin American Studies, University of London.

Marx, Karl (1858): Bolivar y Ponte. In: Karl Marx/Friedrich Engels: Werke. Band 14, 4. Auflage. Berlin: (Karl) Dietz Verlag, S. 217-231.

Panhorst, P. K. (1930): Simon Bolivar und Alexander von Humboldt. In: Ibero-amerikanisches Archiv, Vol. 4 No 1. Iberoamericana Editorial Vervuert, S. 35-47.

Simon, Joshua (2012): Simon Bolivar’s Republican Imperialism: Another Ideology of American Revolution. In: History of Political Thought. Vol. 33, No. 2. Imprint Academic Ltd., S. 280-304.

Juan D. Estevez

Juan D. Estevez ist Local Coordinator der Students for Liberty Deutschland, Campus Ambassador der Foundation for Economic Education und studiert Politikwissenschaften und Betriebswirtschaft an der Goethe Universität in Frankfurt.