Constant, Benjamin
Von David Hart, mit freundlicher Genehmigung von libertarianism.org
Henri-Benjamin Constant de Rebecque wurde 1767 im schweizerischen Lausanne geboren und starb 1830 in Paris. Er war Schriftsteller, politischer Theoretiker, Journalist und Politiker, der aufgrund seiner Ausbildung und seiner persönlichen Interessen die englischen und schottischen Vorstellungen von einer liberalen konstitutionellen Monarchie nach Frankreich brachte. Ungewöhnlich für jemanden in seiner Generation studierte er in Deutschland (Erlangen) und Schottland (Edinburgh). Seine Erfahrungen bereicherten den klassischen Liberalismus, indem sie die typisch französische Leidenschaft für umfassende Theorien mit den Vorstellungen des englischen konstitutionellen Monarchismus und dem evolutionären und historischen Ansatz der schottischen Schule des liberalen Denkens verband.
Ab den späten 1780er Jahren entfaltete Constant sein großes Potential als origineller politischer Denker. Allerdings verbrachte er zugleich viel Zeit mit einer Reihe von gescheiterten Liebesaffären, übermäßigem Glücksspiel und Duellen. Seine familiären Beziehungen brachten ihm eine Position als Kammerherr des Herzogs von Braunschweig in Paris ein, wo er Zeuge des Beginns der Französischen Revolution wurde. Der entscheidende Wendepunkt in seinem Leben geschah nach seiner Rückkehr aus der Schweiz 1794, als er die Bekanntschaft von Germaine de Staël machte, der Tochter des ehemaligen Finanzdirektors unter Ludwig XVI. Ihr Salon spielte im Pariser Gesellschaftsleben jener Zeit eine wichtige Rolle. Er wurde ihr Liebhaber und begann unter ihrer Führung seine Karriere als politischer Publizist und Kommentator. In ihrem Salon traf Constant viele konstitutionelle Monarchisten und aristokratische Liberale. Die beiden kehrten 1795 nach dem Fall der Jakobiner nach Paris zurück, und Constant unterstützte das Direktorium (die neue Regierung), indem er Flugblätter schrieb, in denen er den Putsch verteidigte, der die neuen Machthaber an die Regierung brachte, was er später bedauern sollte.
Constant begann seine politische Karriere 1799, als er zum Mitglied des Tribunats (dem damaligen Parlament) unter Napoleons Konsulat gewählt wurde. Dort arbeitete er bis 1802. Seine Kritik an Napoleons Versuchen, das repräsentative System abzuschaffen und jegliche Kontrolle seiner Macht zu beseitigen, führte dazu, dass er aus dem Tribunat entlassen wurde und ins Exil gezwungen wurde. Er und de Staël verbrachten ihre Zeit auf Reisen in Deutschland oder auf ihrem Anwesen in Coppet in der Schweiz, wo sie einen stetigen Strom von Flugblättern produzierten, die das Napoleon-Regime kritisierten. Hier schrieb Constant seinen berühmten romantischen Roman „Adolphe“ (1807, erschienen 1816) und seinen vernichtenden Angriff auf Napoleons Militarismus und Tyrannei, „Der Geist der Eroberung und Usurpation in ihren Beziehungen zur europäischen Zivilisation“ (1814). In diesem Essay machte Constant zwei wichtige Unterschiede: einen zwischen altertümlichen und modernen Vorstellungen von Freiheit und den anderen zwischen alter Militärgesellschaft und moderner Handelsgesellschaft. In Bezug auf die Freiheit argumentierte Constant, dass Freiheit in alten Gesellschaften weitgehend als politische Partizipation angesehen wurde, während in modernen Gesellschaften Freiheit als eine Privatsphäre angesehen wird, die vor dem Eindringen des Staates geschützt ist. Constant argumentierte, dass alte Gesellschaften ihren Reichtum in erster Linie durch Eroberung und Ausbeutung erlangten, während moderne Handelsgesellschaften ihren Reichtum vor allem durch friedlichen Austausch und Industrie erlangten. Mit der Niederlage Napoleons prophezeite Constant, dass sich die europäische Gesellschaft am Vorabend einer neuen Ära des Friedens, der Industrie und des Wohlstands befand.
Überraschenderweise wurde Constant von Napoleon nach seiner Flucht aus Elba 1814 nach Paris eingeladen, um eine neue Verfassung, den so genannten „Benjamin“ auszuarbeiten. Obwohl sie nie umgesetzt wurde, erwies sie sich als interessanter Entwurf für eine konstitutionelle Monarchie mit einem auf Eigentum basierenden, aber dennoch recht umfangreichen Wahlrecht. Während er Napoleon bei der Verfassungsreform beriet, veröffentlichte Constant seine erste umfassende Schrift, „die für alle repräsentativen Regierungen gilt“ (1815), in der er argumentiert, dass „die konstitutionelle Monarchie uns… diese neutrale Macht bietet, die für alle regelmäßigen Freiheiten so unverzichtbar ist“. Als Napoleon endgültig die Macht verlor, wurde Constant von den zurückgekehrten Bourbonen erneut ins Exil gezwungen, weil er mit der zweiten napoleonischen Regierung zusammengearbeitet hatte.
Nachdem er einige Zeit in England verbracht hatte, kehrte Constant nach Frankreich zurück, um seine politische Karriere wieder aufzunehmen. Er wurde 1819 in die Abgeordnetenkammer gewählt, wo er bis zu seinem Tod 1830 diente. Er war auch Präsident des Staatsrates. Constant verband seine politischen Aufgaben mit großem Engagement im Journalismus und Aktivismus. In den 1820er Jahre standen vor allem die verfassungsmäßigen Grenzen der Macht des Königs und die Versuche des Königs, sich von ihnen zu befreien, im Fokus der Debatten. Constant war Mitglied einer Gruppe von Liberalen, die die Verfassung schützen und verhindern wollten, dass der König sie untergräbt. Constant schrieb Flugblätter, in denen er die Meinungsfreiheit, die ministerielle Verantwortung und die religiöse Toleranz verteidigte und eine Reihe von unterdrückten Gruppen unterstützte. Darunter die Bauern in ihrem Kampf gegen ihre aristokratischen Grundherren, Sklaven in den französischen Kolonien und die Griechen in ihrem Kampf gegen das türkische Reich. Seine Arbeit wurde oft vom Regime zensiert, aber er versuchte, die Zensoren auszutricksen, indem er mehr als 30 Seiten lange Broschüren schrieb (kürzere Flugschriften unterlagen der Zensur vor der Veröffentlichung) und seine kritischsten Kommentare in die Fußnoten setzte, von denen er überzeugt war, dass sie die Zensoren nie lesen würden.
Während er Mitglied der Abgeordnetenkammer war, schrieb Constant weiterhin umfangreiche theoretische Arbeiten. Seine Ideen zum liberalen Konstitutionalismus entwickelte er in „Cours de politique constitutionnelle“ (1818-1820) weiter. In seinem Kommentar zu den Werken von Filangieri (1822) setzte er sich für eine Laissez-faire-Wirtschaftspolitik und den „Nachtwächterstaat“ ein und in seinem letzten großen Werk „De la religion considérée dans sa source, ses formes et son développement“ (1824-1831) erforschte er das Verhältnis von Religion, Despotie und Freiheit. Er recherchierte und schrieb einen wesentlichen Teil seiner Monographie über Religion in der Zeit, als er sich 1822 vorübergehend aus der Politik zurückzuziehen musste, nachdem er wegen einer Verschwörung zum Sturz der Regierung verhaftet worden war. Er wurde von dieser Anklage freigesprochen und kehrte 1824 in die Abgeordnetenkammer zurück. Damals versuchte die Regierung, diesen scharfen Kritiker ihrer Politik vom Plenum ausschließen zu lassen, unter dem Vorwand, kein französischer Staatsbürger zu sein, da er in der Schweiz geboren sei. Dies misslang und Constant nahm seinen Sitz wieder ein, um seinen Kampf für die Verteidigung der Freiheit fortzusetzen. Er widersetzte sich den Bemühungen der Kirche, religiöse Publikationen zu zensieren und Protestanten von Lehraufträgen an Schulen und Universitäten auszuschließen und stemmte sich ebenfalls gegen ein restriktiveres Pressegesetz. In der Kammer war Constant ein charismatischer Redner und eine etwas exzentrische Figur. Wenn er über Verfassungsfragen sprach, trat er autoritär auf, wirkte aber überzeugend. Gelegentlich kehrte er zu den Exzessen seiner Jugend zurück, wie etwa, als er von einem Sessel aus, an den er aufgrund einer Knieverletzung gefesselt war, ein Duell mit einem Aristokraten führte.
Literatur:
Axel Blaeschke und Lothar Gall (Hrsg.): Werke . Deutsch von Eva Rechel-Mertens. 4 Bände. Propyläen Verlag 1970ff.
Lothar Gall: Benjamin Constant. Seine politische Ideenwelt und der deutsche Vormärz. Steiner, Wiesbaden 1963