Aristoteles
Von Fred Miller, mit freundlicher Genehmigung von libertarianism.org
Aristoteles von Stageira (382 v. Chr. – 322 v. Chr.) war ein griechischer Philosoph, Logiker und Wissenschaftler, und einer der einflussreichsten Denker es Altertums. Als junger Mann trat Aristoteles in die Platonische Akademie in Athen ein, wo er 20 Jahre lang studierte. Anschließend wurde er von Philipp von Mazedonien eingeladen, um dessen Sohn, den zukünftigen Alexander den Großen, zu unterrichten. Aristoteles kehrte später nach Athen zurück, um seine eigene Schule, das Lyzeum, zu gründen, und einige seiner wichtigsten Abhandlungen zu schreiben. Nach Alexanders plötzlichem Tod musste Aristoteles wegen seiner mazedonischen Verbindungen aus Athen fliehen und starb kurz darauf. Obwohl viele seiner Schriften verloren gegangen sind, überlebte ein beträchtliches Korpus, das aus Traktaten besteht, die wahrscheinlich aus seinen Vorlesungsunterlagen zusammengestellt wurden. Diese Werke beeinflussten römische, byzantinische, arabische und jüdische Philosophen. Ihre Wiederentdeckung in Westeuropa im Mittelalter löste den Aufstieg der Scholastik aus und trug zum Aufstieg der modernen Wissenschaft bei.
Das philosophische System des Aristoteles besteht aus zahlreichen spezialisierten Wissenschaften. Er ist der Ansicht, dass jede Wissenschaft an ihren eigenen Gegenstand mit unterschiedlichen Problemen, Methoden und Prinzipien angepasst werden muss. Alle Wissenschaften setzen eine Theorie der Logik, Sprache und Erkenntnis voraus, die Aristoteles in einer Reihe von Abhandlungen, dem Organon, darlegte. Zu diesen gemeinsamen Elementen gehört sein System der syllogistischen Logik, das bis ins 20. Jahrhundert hinein weitgehend unangefochten blieb. Aristoteles formulierte und verteidigte das Gesetz des Nicht-Widerspruchs und das Prinzip der Identität. Er behauptete (gegen seinen Lehrer Platon), dass Wissen auf Sinneswahrnehmung basieren muss, dass die Realität letztendlich aus einzelnen Substanzen besteht, und dass Substanzen zu natürlichen Arten (z.B. Mensch oder Pferd) mit ausgeprägten natürlichen Zielen oder Funktionen gehörten. Aristoteles unterschied drei Wissenschaftszweige: (1) Die theoretischen (kontemplativen) Wissenschaften waren dem Wissen oder der Wahrheit um ihrer selbst willen gewidmet. Zu diesen Wissenschaften gehörten die Naturwissenschaften (bei ihm sind das: Physik, Chemie, Biologie und Psychologie), die Mathematik und die Metaphysik (das Studium des Seins an sich, das in der Theologie seinen Höhepunkt findet). (2) Die praktischen Wissenschaften (z.B. Ethik, Politik und Wirtschaft) befassen sich mit dem menschlichen Handeln. (3) Die Produktionswissenschaften zielen auf ein Produkt ab, sie sind entweder nützlich (z.B. Architektur oder Medizin) oder imitierend (z.B. Poesie).
Aristoteles‘ praktische Abhandlung, die Nikomachische Ethik, argumentiert, dass das menschliche Gut aus Glück besteht, verstanden als rationale und tugendhafte Aktivität. Dass moralische Tugend darin besteht, einen Mittelwert (oder eine Zwischenbedingung) zwischen Extremen zu erreichen (z.B. ist Mut ein Mittelwert zwischen Feigheit und Tollkühnheit). Und dass dieser Mittelwert durch praktische Weisheit erreicht wird, die Fertigkeit des Nachdenkens, die sich des Ziels des menschlichen Lebens bewusst ist. Obwohl es um individuelle Fertigkeiten geht, beschreibt Aristoteles die Ethik als einen Teil der „Politikwissenschaft“. Die Grundlage dafür ist auf dem Hintergrund der Politiktheorie des Aristoteles ersichtlich, die damit beginnt, den Menschen als von Natur aus politisches Wesen zu beschreiben. Aristoteles geht davon aus, dass der Stadtstaat (oder die Polis) von Natur aus existiert und dass der Stadtstaat von Natur aus Vorrang vor dem einzelnen Menschen hat. Da der Stadtstaat für die individuelle menschliche Vollkommenheit notwendig ist, ist Ethik ein Teil der politischen Philosophie.
Obwohl der Stadtstaat nach aristotelischer Auffassung die Vervollkommnung der menschlichen Natur darstellt, erfordert er auch einen Gesetzgeber, dessen Aufgabe es ist, die Wissenschaft der Politik anzuwenden, um eine Verfassung, Gesetze sowie ein Bildungssystem für die Bürger zu gestalten. Das Werk „Die Politik“ erläutert diese Theorie und unterscheidet zwischen gerechten Verfassungen, die den gemeinsamen Vorteil aller Bürger fördern, und ungerechten Verfassungen, die den privaten Vorteil der herrschenden Klasse suchen. Die beste Verfassung wird politische Rechte auf der Grundlage bürgerlicher Tugend zuweisen. Aristoteles beschrieb eine Verfassung, die dieses Ideal erfüllt, einschließlich eines Systems der öffentlichen Bildung, das darauf abzielt, tugendhafte Bürger hervorzubringen. Er diskutierte auch, wie die Politikwissenschaft Probleme des politischen Wandels, der Revolution und der Interessengruppen angehen sollte. Aristoteles betrachtete die Revolution als eine Krankheit des Stadtstaates, dessen Hauptursache Ungerechtigkeit ist: Die Beherrschten werden rebellisch, wenn sie erkennen, dass die Herrscher sie ungerecht behandeln. Aristoteles entwickelte auf der Grundlage dieser Analyse politische Lösungsvorschläge.
Aristoteles‘ allgemeine politische Position war eher konservativ als liberal. Er war überzeugt, dass die soziale Ordnung immer von einem einzigen herrschenden Element durchgesetzt werden muss, so dass er dazu neigte, autoritäre Systeme zu bevorzugen. Er missbilligte die bei den Demokraten seiner Zeit beliebte Ansicht, dass Freiheit darin bestehe, einzig nach den eigenen Vorstellungen zu leben. Stattdessen war Freiheit aus seiner Sicht das Recht, das zu tun, was man tun sollte. Er plädierte für eine öffentliche moralische Erziehung und er unterstützte die Herrschaft der Männer über Frauen und der freien Personen über „natürliche“ Sklaven.
Doch er trug auch wesentlich zur liberalen Ideenwelt bei, insbesondere durch seine Theorie der politischen Gerechtigkeit. Er kritisierte Platons kollektivistisches Ideal und argumentierte, dass die beste Verfassung die Interessen jedes einzelnen Bürgers fördert und damit die individuellen Rechte schützt. Aristoteles‘ Verfassungslehre hat auch einen indirekten, aber wichtigen Einfluss auf die europäischen klassischen Liberalen und auf die Begründer der amerikanischen Verfassung ausgeübt.
Weiterführende Literatur
Flashar, Hellmut, Aristoteles: Lehrer des Abendlandes, München 2013.
Höffe, Otfried, Aristoteles. München 2006.