Arbeitsteilung

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Von Tyler Cowen mit freundlicher Genehmigung von libertarianism.org

Der Begriff der Arbeitsteilung ist zentral für den Klassischen Liberalismus und die Theorie der Marktwirtschaft. Die Arbeitsteilung bezieht sich auf jene Situation, die entsteht, wenn verschiedene Personen unterschiedliche Aufgaben erfüllen und dann miteinander handeln, um das zu erhalten, was sie bevorzugen. Anstatt John seine eigenen Lebensmittel anbauen zu lassen und sein eigener Arzt zu sein, handelt John, der in erster Linie Landwirt ist, seine Produkte gegen Geld, mit dem er dann viele verschiedene Waren und Dienstleistungen von anderen kauft, darunter medizinische Versorgung.

Die Diskussionen über die Arbeitsteilung gehen auf Platon zurück und wurden im Laufe der Jahrhunderte von zahlreichen Schriftstellern geführt. Erst 1776 und mit der Veröffentlichung von Adam Smiths Wealth of Nations gab es eine umfassende Analyse der Arbeitsteilung vor dem Hintergrund einer modernen Wirtschaft. Smith wies darauf hin, dass die immensen Produktivitätsvorteile der Marktwirtschaft auf der Arbeitsteilung beruhen. Das von ihm angeführte Beispiel der Herstellung von Stecknadeln, das zeigte, wie mehr Stecknadeln produziert werden, wenn Aufgaben auf viele Individuen verteilt werden, ist zu einer klassischen Illustration der Vorteile geworden, die sich aus der Arbeitsteilung ergeben. Smith verstand aber auch, dass die Arbeitsteilung ein viel breiteres Konzept ist. Die Menschen arbeiten in verschiedenen Berufen, Regionen bauen unterschiedliche Produkte an, Länder exportieren andere Produkte, und so weiter.

Smith prägte die berühmte Maxime, dass „die Arbeitsteilung durch das Ausmaß des Marktes begrenzt ist“, was bedeutete, dass nur große und gut entwickelte Märkte einen hohen Grad an Spezialisierung unterstützen konnten. Wenn wir uns vorstellen, dass 10 Menschen auf einer einsamen Insel gestrandet sind, wird keiner von ihnen den Luxus haben, sich zu spezialisieren. Eine so kleine Gruppe kann einen Science-Fiction-Autor, einen Biochemiker und einen Autor von Computersoftware nicht unterstützen. In Wirklichkeit müsste die Gruppe fast alle ihre Kräfte aufwenden, um Lebensmittel zu sammeln, zu jagen oder anzubauen. Die bevölkerungsreichen und wohlhabenden Gesellschaften sind jedoch sehr vielfältig, wie die zahlreichen verschiedenen Berufe beweisen, die wir in jeder fortgeschrittenen Gesellschaft finden.

So können wir sehen, dass der Markt und die zunehmende Arbeitsteilung eine symbiotische und sich gegenseitig verstärkende Beziehung haben. Die Arbeitsteilung steigert die Produktivität, welche Wachstumsmotor des Marktes ist. Gleichzeitig ermöglicht ein größerer Markt mehr Spezialisierung und eine stärkere Arbeitsteilung. Ein gesundes Wirtschaftswachstum schafft also Rückkopplungseffekte, die zu weiterem Wirtschaftswachstum führen. Zeitgenössische Ökonomen beziehen sich auf das Konzept der „increasing returns“, um diesen Feedbackprozess zu beschreiben.

Es ist anzumerken, dass Smith, genau wie Adam Ferguson in Schottland und Jean-Jacques Rousseau in Frankreich, auch einige der Nachteile der Arbeitsteilung erkannte. In einigen Fällen kann Arbeitsteilung dazu führen, dass Einzelpersonen die gleichen Aufgaben in einer extrem repetitiven und langweiligen Weise ausführen. Viele der klassischen Ökonomen, darunter John Ramsey McCulloch und Jean-Baptiste Say, ansonsten starke Verfechter einer Marktwirtschaft, erkannten, dass die Arbeitsteilung die Fähigkeiten vieler Arbeiter abstumpfen könnte. Diese Kritik ist jedoch im Laufe der Zeit weniger überzeugend geworden. Die weit verbreitete Einführung von arbeitssparenden Geräten hat viele sich wiederholende Jobs eliminiert und die Zahl derer erhöht, die kreative Inhalte, die Zusammenarbeit mit anderen und eigenwillige Entscheidungsfindung betreffen.

Die Theorie des komparativen Vorteils, ein wesentliches Element der klassischen Ökonomie, ist eng mit der Idee der Arbeitsteilung verbunden. Es ist wirtschaftlich sinnvoll, dass jeder Mensch das produziert, was er am effizientesten machen kann, und seine Produkte dann mit anderen handelt. Es geht hier nicht um absoluten, sondern um relativen Vorteil. Wenn ein Anwalt eine bessere Schreibkraft als seine Sekretärin ist, kann der Anwalt immer noch die Sekretärin das Schreiben machen lassen, so dass die Zeit des Anwalts für höherwertige Tätigkeiten genutzt werden kann. Aber der komparative Vorteil deutet darauf hin, dass eine gewisse Arbeitsteilung immer vorhanden sein wird.

Marxistische Ökonomen haben einen Frontalangriff auf den Begriff der Arbeitsteilung geführt, weil sie ihn als destruktiv für die individuelle Initiative und die Unabhängigkeit des Willens empfinden. Marx, der Smiths Vorstellung, dass die Arbeitsteilung Arbeiter entfremden könnte erweiterte, argumentierte, dass Arbeiter nie wirklich glücklich oder erfüllt sein könnten, wenn sie wiederholende Aufgaben ausführen müssten, was der Kapitalismus verlangte. Der Kommunismus hingegen würde die meisten der negativen Aspekte, die mit der Arbeitsteilung einhergingen, beseitigen. Anstelle der Plackerei in Form von sinnlosen Wiederholungen einer winzigen Aufgabe, die dem Arbeiter in einem fortgeschrittenen kapitalistischen System aufgezwungen wurde, sah Leo Trotzki eine Zukunft voraus, in der der Mensch „unvergleichlich stärker, klüger, feiner [wird]. Sein Körper – harmonischer, seine Bewegungen – rhythmischer, seine Stimme – musikalischer; die Formen des Seins werden eine dynamische Theatralik gewinnen. Der menschliche Durchschnitt wird sich bis zum Niveau eines Aristoteles, Goethe, Marx erheben.“

Das Konzept der Arbeitsteilung genießt weiterhin die Aufmerksamkeit von Ökonomen, Soziologen und anderen Sozialwissenschaftlern. Es ist vielleicht am wichtigsten für Entwicklungs- und Schwellenländer, in denen ein hoher Anteil der Bevölkerung in der Landwirtschaft oder der Bürokratie tätig ist. Diese Volkswirtschaften versuchen oft, ihre Arbeitsteilung auf produktive und nachhaltige Weise zu erhöhen. Aber die Arbeitsteilung ist sowohl Ursache als auch Symptom des Wachstums. Es gibt kein magisches Rezept für eine effektivere Arbeitsteilung, das sich von dem allgemeineren Problem unterscheidet, wie man das Wirtschaftswachstum stimulieren und die politischen Institutionen liberalisieren kann.

Weiterführende Literatur

Buchanan, James M., and Yong J. Yoon. The Return to Increasing Returns. Ann Arbor: University of Michigan Press, 1994.

Durkheim, Émile. The Division of Labor in Society. New York: Free Press, 1964.
(Deutsch: Über die Teilung der sozialen Arbeit. Deutsch von Ludwig Schmidts. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1977)

Marx, Karl. Economic and Philosophic Manuscripts of 1844. New York: International Publishers, 1964.
(Deutsch: Ökonomisch-philosophische Manuskripte. Hrsg. von Barbara Zehnpfennig. Hamburg: Meiner, 2005.)

Smith, Adam. An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations. New York: The Modern Library, 1937.

Trotsky, Leon. Literature and Revolution. New York: Russell & Russell, 1957.
(Deutsch: Literatur und Revolution. Deutsch von Eugen Schäfer und Hans von Riesen. Essen: Arbeiterpresse Verlag, 1994.)


Tyler Cowen

Prof. Tyler Cowen ist Professor für Volkswirtschaft an der George Mason University; er ist Vorsitzender des dortigen Mercatus Center. Zudem ist er Co-Autor des populären Wirtschaftsblogs “Marginal Revolution”. Cowen promovierte in Harvard.